Gespräch des Tages

Börse - Die Braut, die sich nicht traut

Die Geschichte hat mittlerweile bereits derart groteske Züge angenommen, dass Hollywood aus den Ereignissen fast schon einen Kinofilm produzieren könnte. Ein Filmtitel ließe sich bestimmt auch schnell finden - irgendetwas in Anlehnung an die US-amerikanische Filmkomödie "Die Braut, die sich nicht traut" aus dem Jahr 1999. Julia Roberts spielte darin eine Eisenwarenhändlerin aus der Provinz, die aus panischer Angst vor der Ehe bereits drei Mal kurz vor der Trauung aus der Kirche flüchtete und so unter Gespött der Medien die Hochzeiten verhinderte. Erst dank Richard Gere kommt es zum Happy End mit Ja-Wort.

Mit Gespött wird inzwischen auch der geplante Börsengang der Hannoveraner Talanx AG in den Medien bedacht. Seit mittlerweile 14 Jahren als Börsenaspirant gehandelt, arbeitet der drittgrößte deutsche Versicherungskonzern bereits viele Jahre an einem Listing. IPO-Plänen erteilte man immer wieder eine Absage, nur um sie dann kurze Zeit später wieder hervorzuholen - man wolle sich die Option schließlich offenhalten. Während die Abstände dazwischen in den vergangenen Jahren allerdings in Monaten gemessen werden konnten, erlebte die Öffentlichkeit nun im September eine komplette 360-Grad-Wende innerhalb von nur 18 Tagen. Ganz nach dem aus ungeordneten militärischen Manövereinsätzen bekannten Motto "Rin in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln" kündigte die Versicherung am 3. September ihren Börsengang für Ende des Monats an, blies das Vorhaben neun Tage später überraschend wieder ab, und annoncierte weitere neun Tage später erneut den Gang aufs Parkett, dieses Mal für den 2. Oktober.

Ohne Blessuren hat sicherlich kaum einer der Beteiligten diesen Schlingerkurs überstanden. Abstriche gegenüber den noch Anfang September publik gemachten Emissionszielen müssen etwa der Vorstand und der bisherige Alleingesellschafter HDI machen. Statt der ursprünglich angepeilten 700 Millionen Euro will Talanx nun 500 Millionen Euro bei Investoren einsammeln. Damit wären allerdings lediglich 11,5 Prozent Anteile im Streubesitz. Eine solche geringe Liquidität in der Aktie wird für die erhoffte Aufnahme in den M-Dax sicherlich nicht reichen. Darüber hinaus liegt die Preisspanne zwischen 17,30 und 20,30 Euro je Aktie, was den Versicherer insgesamt mit 4,4 bis 5,0 Milliarden Euro bewertet. Die Aussage, dass dies zwar nicht die Wunschbewertung sei, aber man damit leben könne, kann angesichts der jahrelangen Vorbereitungen nur auf Unverständnis stoßen. Für viele Investoren ist Talanx deshalb mit Sicherheit "verbrannt". Auch das Bankenkonsortium hat nach den Kehrtwenden deutliche Kratzer davongetragen. Nach der IPO-Absage machte die Versicherung den Banken heftige Vorwürfe, bei den Investoren zu hohe Erwartungen geschürt zu haben, sodass Unverständnis über das Agieren der drei Global Coordinators Citigroup, Deutsche Bank und J.P. Morgan herrschte. Beim neuerlichen Anlauf steht nun neben der Deutschen Bank die Berenberg Bank federführend zur Seite. Citigroup und J. P. Morgan wurden in die weniger prestigeträchtige zweite Reihe zurückgestuft. Rothschild darf als unabhängiger IPO-Berater an Bord bleiben.

So sehr sich die Versicherung auch bemüht, das Hin und Her als wohl durchdachtes Vorgehen darzustellen, so belastet es doch sicherlich auch andere mögliche IPOs. Trotz des derzeit noch positiven Börsenklimas sind private, aber auch institutionelle Investoren verunsichert. Gerade kehren die seit der Finanzmarktkrise verloren gegangenen deutschen Anleger wieder allmählich in die Aktie zurück, und die Banken und Sparkassen sind bemüht, schon alleine aus Ertragsgesichtspunkten dieser Anlageklasse zu neuerlicher Akzeptanz zu verhelfen. So erklärte der DSGV-Präsident Georg Fahrenschon etwa unlängst, dass er noch Mitstreiter in Sachen Aktienkultur und Verbraucherbildung suche. Solche Anstrengungen von Banken und Sparkassen werden jedoch durch den Schlingerkurs der Talanx konterkariert. Für die nur ganz allmählich und zaghaft zurückkehrende Aktienkultur in Deutschland wäre es deshalb so wichtig, wenn die Kandidaten ihre Vorhaben zunächst aufs Sorgfältigste prüfen und dann aber auch den Schritt aufs Parkett beherzt wagen würden. Ansonsten laufen IPO-Pläne Gefahr, zur "unendlichen Geschichte" zu werden.

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