Leitartikel

Augen auf in der Kommunalfinanzierung

Städten und Gemeinden droht kein Bonitätsverlust, er ist längst Realität. Gegen diese Erkenntnis mögen sich viele Kommunalpolitiker noch sträuben, doch spätestens wenn sie die Haushaltslöcher zu stopfen versuchen, werden sie eines Besseren belehrt. Da hilft dann auch das Pochen auf den Haftungsverbund mit Bund und Ländern wenig. Unliebsame Tatsachen mögen gern verdrängt werden, doch Tatsache ist, dass die Rathäuser heute größere Mühe haben, Kredite zu bekommen. Dabei verheißen die Zahlen aus dem Bundesfinanzministerium doch kräftig steigende Einnahmen. 8,9 Prozent mehr Steuern sammelten die Städte und Gemeinden im vergangenen Jahr ein. 76,6 Milliarden Euro flossen so in die kommunalen Kassen. Auch für die kommenden Jahre sehen die jüngsten Prognosen der Steuerschätzer vielversprechend aus: 2012 wird mit einem neuerlichen Plus von 5,1 Prozent auf 80,5 Milliarden Euro gerechnet. Für die darauffolgenden Jahre wird von Wachstumsraten zwischen 3,9 bis 4,6 Prozent ausgegangen.

Diese Mehreinnahmen werden jedoch rasch aufgezehrt sein, wenn sich - wie zu erwarten - die Ausgabendynamik des zurückliegenden Jahrzehnts fortsetzt. Allein im vergangenen Jahr belief sich der bereinigte Finanzierungssaldo aller Gemeinden und Gemeindeverbände nach Informationen des Bundesfinanzministeriums auf minus 1,675 Milliarden Euro. Das ist schon als Erfolg zu werten, denn in den beiden vorangegangenen Jahren hatte das Minus jeweils mehr als sieben Milliarden Euro betragen. Zwischen 2000 und Juni 2011 explodierten die Schulden der Kommunen um 30 Milliarden Euro auf 128 Milliarden Euro. Beunruhigend ist dabei auch, wie sich die Struktur der aufgenommenen Kredite veränderte. Seit dem Höchststand im Jahr 1994 schmilzt das Bestandsvolumen an langfristigen Darlehen tendenziell. Was auf den ersten Blick als erfreulich gelten könnte, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als gefährliche Entwicklung.

Denn im gleichen Zeitraum nahmen die Kassenkredite exponentiell zu (siehe Abbildung 1). Eigentlich soll mit diesen nur der kurzzeitige Liquiditätsbedarf gedeckt werden - vergleichbar dem Dispokredit eines Girokontos. Diese Entwicklung lässt auf massive strukturelle Haushaltsdefizite schließen. Offensichtlich dient die Kreditaufnahme immer weniger den Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, sondern immer mehr der Finanzierung laufender Ausgaben. Damit wird jedoch eine Spirale in Gang gesetzt, aus der wieder herauszukommen, mit der Zeit schwieriger wird. Zweifellos hat die Finanzmarktkrise die Entwicklung noch einmal beschleunigt, weil die Kommunen massive Einbußen vor allem bei der Gewerbesteuer nicht kurzfristig durch Einsparungen in gleichem Umfang wettmachen konnten. Seinen Anfang nahm das Übel allerdings sehr viel früher. Dass die Unterfinanzierung vielerorts chronisch ist, beweisen auch die rückläufigen Investitionen in die öffentliche Infrastruktur. Auf schätzungsweise 100 Milliarden Euro soll sich der Instandhaltungsstau summieren. Dabei könnten hierfür langfristige Kredite aufgenommen werden, doch sind die Kommunen dazu offensichtlich immer weniger in der Lage.

Ein Blick in die Bundesbankstatistik offenbart jedoch auch, dass es den Städten und Gemeinden zunehmend schwerer fällt, sich bei Geschäftsbanken Geld zu leihen. Zwar erreichte der Bestand an Kommunalfinanzierungen bei den Banken im vergangenen Jahr mit 176 Milliarden Euro einen neuen Höchststand, doch sind auch hier dramatische Verschiebungen zu beobachten (siehe Abbildung 2 und Tabellen Seite 598). Wichtigster Finanzierer ist nach wie vor die Sparkassenorganisation mit 47 Prozent. Allerdings lag ihr Marktanteil vor zehn Jahren noch bei 54 Prozent. Allein die Landesbanken hatten 2001 rund 40Prozent dieser Kommunalkredite in ihren Büchern stehen. Inzwischen stellt diese Gruppe nur noch 27 Prozent dar. Stattdessen haben sich die Städte und Gemeinden immer öfter frisches Geld bei ihren eigenen Instituten, den Sparkassen, geliehen, die ihren Anteil am Kreditbestand deutlich ausweiteten. Gleichzeitig haben die Realkreditinstitute die Neuzusagen in ihrem einstigen Kerngeschäft Kommunalfinanzierung ganz oder teilweise eingestellt. Den Rückzug der Geschäftsbanken mussten vor allem die Förderbanken auffangen. Jeder vierte Kredit steht inzwischen in ihren Büchern.

Damit nutzen die Kommunen immer öfter den Refinanzierungsvorteil, den die Förderbanken aufgrund ihres Ratings haben, das unmittelbar an die Bonität des jeweiligen Landes respektive des Bundes geknüpft ist. Dass sie diesen Weg häufiger gehen (müssen), ist einerseits Folge von Basel III. Zwar bleiben Staatskredite bei der Eigenkapitalunterlegung nullgewichtet, doch sorgen die Leverage Ratio und Rentabilitätsanforderungen dafür, dass die margenarmen Finanzierungen der öffentlichen Hand zurückgefahren werden. Andererseits scheuen die Kommunen den direkten Weg an den Kapitalmarkt. Denn dafür bräuchten sie ein eigenes Rating, was politisch heikel ist. Dem Selbstverständnis der Städte und Gemeinden nach kann für sie keine andere Bonitätsnote wie für den Bund gelten - egal wie die konkrete Haushaltslage vor Ort aussieht. Bekanntlich praktizieren die Ratingagenturen eine etwas differenziertere Sicht. Doch welcher Kämmerer möchte attestiert bekommen, dass er womöglich mangelhaft haushaltet oder sich von einem USamerikanischem Unternehmen in die eigene Politik hineinregieren lassen? Es wird jedoch höchste Zeit, die Augen zu öffnen. Dazu gehört aber auch, ohne Tabus über Maßnahmen zur Verbesserung der kommunalen Einnahmen nachzudenken. Hierbei ist von allen Parteien deutlich mehr Mut und Kreativität gefragt.

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