Aufsätze

Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte

Durch das Rahmenwerk von Basel II wurde auch auf internationaler Ebene die Bankenaufsicht auf mehr als die bereits existierende quantitative Säule gestellt. Durch die neuen Vorschriften zur qualitativen Aufsicht wurde eine zweite Säule geschaffen, die in Deutschland bereits seit Längerem in Form prozessualer Anforderungen der Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften der Kreditinstitute (MaH, 1995), Mindestanforderungen an die Ausgestaltung der Internen Revision der Kreditinstitute (MaIR, 2000) und Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft der Kreditinstitute (MaK, 2002) gelebt wurde.

Steter Lernprozess

Die Regelungen der Baseler Säule 2 umfassten jedoch mehr als die rein prozessualen Anforderungen, die in Deutschland eine gewisse Tradition hatten. Basel II und in direkter Reaktion darauf die Bankenrichtlinie der EU formulierte erstmals allgemeine Anforderungen an einen internen Prozess zur Sicherstellung der Risikotragfähigkeit (Internal Capital Adequacy Assessment Process, ICAAP). In Deutschland fanden diese Anforderungen ihren Niederschlag in § 25a KWG und AT 4.1 MaRisk und traten grundsätzlich zum 1. Januar 2007 in Kraft.

Kreditinstitute und Bankenaufsicht unterlagen in den folgenden Jahren im Hinblick auf die Anforderungen an die Sicherstellung der Risikotragfähigkeit einem steten Lernprozess. Die Aufsicht führte im Jahr 2007 eine erste Umfrage bei Instituten zum aktuellen Stand der bankinternen Risikosteuerung und der Bewertung der Kapitaladäquanz durch. Als Monatsberichtsaufsatz1) der Deutschen Bundesbank sind im Dezember 2007 die daraus gezogenen aufsichtlichen Schlussfolgerungen veröffentlicht worden. Diese Analyse und die damit gewonnenen Einblicke erlaubten der deutschen Aufsicht auf internationaler Ebene eine Diskussion auf Augenhöhe im Rahmen internationaler Arbeitsgruppen (insbesondere der Risk Management and Modelling Group, RMMG) und mündeten letztendlich auf Ebene des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht in der Veröffentlichung des Papiers "Range of practices and issues in economic capital frameworks"2). Im Lichte der Krise wurden 2009 Änderungen in den MaRisk vorgenommen, deren Zusammenhang mit den Ereignissen der Finanzmarktkrise ein Monatsberichtsartikel3) der Deutschen Bundesbank beschreibt. Neben dieser Straffung der regulatorischen Rahmenbedingungen wurden die aufsichtlichen Zügel auch in der Umsetzung sukzessive angezogen.

Aufgrund der systemischen Dimension der Finanzmarktkrise und der Vielzahl direkt oder indirekt betroffener Institute wurden in der Folge zahlreiche aufsichtliche Ad-hoc-Anfragen gestartet und Querschnittsanalysen beziehungsweise -vergleiche durchgeführt. Die für den Bereich der Risikotragfähigkeit bedeutendste dieser Umfragen war die Ende 2009/Anfang 2010 durchgeführte Befragung von 150 ausgewählten Kreditinstituten zu ihrem jeweiligen Risikotragfähigkeitskonzept und den daraus abgeleiteten Steuerungsimpulsen.

Die Auswahl der Institute erfolgte dabei nicht zufällig. Neben den größten und bedeutendsten deutschen Instituten wurden zwar aus allen Bankengruppen und Regionen Kreditinstitute unterschiedliche Größe einbezogen. Die Auswahl beinhaltete aber überproportional viele Institute, bei denen die Aufsicht Bedenken oder doch zumindest ein verstärktes Informationsbedürfnis hinsichtlich deren Risikotragfähigkeit hatte. Das auf dieser Umfrage basierende Papier "Range of Practice" zur Sicherstellung der Risikotragfähigkeit bei deutschen Kreditinstituten4) trägt deshalb bewusst nicht den Titel "best practice". Im Hinblick auf die zugrunde liegende Stichprobe ist vielmehr davon auszugehen, dass der Querschnitt eher "bad practice" widerspiegelt.

Restriktivere Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe

Neben diesen schreibtischbasierten Querschnittsanalysen (off-site Bankenaufsicht) führte die Deutsche Bundesbank im Verlauf der Finanzmarktkrise im Auftrag der BaFin vermehrt bankgeschäftliche Prüfungen (on-site Bankenaufsicht) mit dem Schwerpunkt MaRisk - und dabei insbesondere Risikotragfähigkeit - durch.

Die Lehren der Krise, die nicht zuletzt durch Fehleinschätzungen und Fehlsteuerungen der Banken sowie eine nur wenig intervenierende und zu selten Inkonsistenzen aufgreifende Aufsicht befeuert worden war, wurden gezogen. Sie führten zu einer deutlich restriktiveren Auslegung bestehender unbestimmter Rechtsbegriffe. Während das MaRisk-typische Wort "angemessen" vor 2008 von vielen Instituten recht beliebig interpretiert und dies oft ohne Reaktion der Aufsicht geblieben war, bedienen sich BaFin und Bundesbank nunmehr aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse einer deutlich strengeren Lesart.

Prinzip der Rechtsstaatlichkeit

Der Wandel in der Aufsichtspraxis ist selten radikal. Insbesondere in Deutschland wird das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit des Verwaltungshandelns deutlich höher gewichtet als in anderen Jurisdiktionen. Während in den USA und im Vereinigten Königreich Kreditinstitute kurzerhand gezwungen werden, von heute auf morgen höhere Kapitalquoten vorzuhalten und dazu von staatlicher Seite zwangsweise mit Eigenkapital beglückt werden, wird in Deutschland darüber prozessiert, ob die Entschädigung von Eigentümern einer ökonomisch hochgradig verschuldeten und illiquiden Bank durch den Steuerzahler nicht hätte höher ausfallen müssen. Im Bereich der qualitativen Bankenaufsicht verhält es sich nicht anders. Die aus den neuen Erkenntnissen resultierenden Beurteilungsmaßstäbe der Aufsicht gingen fließend in deren Verwaltungspraxis ein. Spiegelbildlich verschärften - zumindest aber konkretisierten - sich die Anforderungen an Institute von 2008 bis 2010 jeweils graduell.

Selbst bei einer graduellen Veränderung der Verwaltungspraxis ist irgendwann ein Punkt erreicht, in dem aus vielen kleinen Schritten eine materielle Verschärfung wird. Diesen Punkt sahen BaFin und Deutsche Bundesbank im Sommer 2010 gekommen und beriefen deshalb für den November 2010 eine Sondersitzung des Fachgremiums MaRisk ein, das sich ausschließlich den aktuellen Anforderungen der Bankenaufsicht im Bereich Risikotragfähigkeit widmete. Die aufsichtsseitigen Konsistenzüberlegungen wurden im Verlauf der Sitzung von Vertretern der Kreditwirtschaft und Prüfungseinrichtungen teilweise kritisch hinterfragt, inhaltlich jedoch nicht widerlegt. Um eine höchstmögliche Transparenz des Verwaltungshandelns sicherzustellen regten die Vertreter der Kreditwirtschaft die Veröffentlichung der vorgestellten Konsistenzüberlegungen in Form eines Aufsichtspapiers an.

Aufsichtspapier vom Dezember 2011

Diesem Wunsch der Institute kam die Bankenaufsicht schließlich am 7. Dezember 2011 nach. Der Veröffentlichung des Papiers5) mit dem Titel "Aufsichtliche Beurteilu8ng bankinterner Risikotragkeitskonzepte" ging eine nochmalige Diskussion des Themas auf Basis einer Entwurfsfassung des Aufsichtspapiers im Rahmen einer Sitzung des Fachgremiums MaRisk im Oktober 2011 voraus.

Charakter des Papiers: Das Aufsichtspapier zur Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte ist vom Charakter her die Niederschrift des aktuellen Verwaltungshandelns im Hinblick auf den quantitativen Kern der Säule 2 - die Risikotragfähigkeit der Institute. Die Bankenaufsicht hat im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgabe zu beurteilen, ob die jeweils vorgefundenen Verfahren im Hinblick auf deren gesetzlich normierten Zweck angemessen sind. Dabei lässt sie sich von den Grundprinzipien Konsistenz, Vollständigkeit der Risikoabbildung und dem Vorsichtsprinzip leiten. Aus diesen Grundprinzipien resultieren in der Aufsichtspraxis, wie sie in dem veröffentlichten Papier zum Ausdruck kommt, konkretere Beurteilungskriterien, die unter Berücksichtigung des Wesentlichkeits- und des Proportionalitätsprinzips regelmäßig zugrunde gelegt werden.

Risikotragfähigkeit im internationalen Kontext: Im internationalen Vergleich nimmt Deutschland hinsichtlich der Handhabung von Säule 2 und dem Umgang mit dem Thema Risikotragfähigkeit eine Sonderrolle ein. Die Orientierung an bankinternen Verfahren und die Gewährung weitgehender Methodenfreiheit gehört zwar zu den essenziellen Merkmalen der Säule 2 im Baseler Kontext und im Sinne der Bankenrichtlinie. Die Umsetzung in der bankaufsichtlichen Praxis ist dennoch sehr unterschiedlich. Allen voran die britische FSA definiert im Rahmen von Säule 2 bestimmte Risikoarten, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssen und gibt konkrete Berechnungswege zu deren Berücksichtigung im Rahmen des Supervisory Review and Evaluation Process (SREP) vor. Dass in einem solchen Regime, in dem Risiken durch die Aufsicht mittels Scorekarten berechnet werden, relativ wenig Raum und Anreiz für eigenverantwortliche, institutsindividuelle Lösungen bleibt, ist offenkundig.

Am anderen Ende der konzeptionellen Skala steht der deutsche Weg. Durch die Konzentration auf institutsinterne Verfahren wurde den Instituten hinsichtlich der Gestaltung ihrer Risikotragfähigkeitskonzepte in den letzten Jahren ein sehr hohes Maß an Methodenfreiheit eingeräumt. Gerade im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise nutzten jedoch einige Kreditinstitute diese Methodenfreiheit offenkundig ergebnisgetrieben und nicht immer mit dem Ziel einer methodischen Verbesserung. Genau diesen Schattenseiten einer sehr weit verstandenen Methodenfreiheit gilt es jedoch entschieden entgegenzutreten, um den Geist der Säule 2 - eine Orientierung an bankinternen Verfahren bewahren zu können.

Geist der Säule 2 bewahren

Eine Identifikation und Auseinandersetzung mit methodischen Inkonsistenzen, wie im Papier der Aufsicht zur Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte geschehen, sollte deshalb auch und vor allem im Interesse der Institute sein, die jenen Geist der Säule 2 bewahren und die ihnen eingeräumte Freiheit verantwortungsvoll nutzen wollen.

Zwischen diesen beiden Extremen - einerseits die deutsche sehr weitgehende Methodenfreiheit und andererseits die dirigistische Vorgehensweise der britischen FSA - finden sich die Ansätze anderer europäischer und internationaler Aufsichtsbehörden. In Spanien beispielsweise finden sich für kleine Institute eine Vielzahl aufsichtlicher Vorgaben zur Bestimmung der Risikotragfähigkeit6). In Frankreich existiert in Abhängigkeit von Größe und Komplexität eines Instituts eine Erwartungshaltung der Aufsicht hinsichtlich der notwendigen Kapitalausstattung. Die niederländischen Aufsichtsbehörden können in hohem Maße auf institutsinterne Primärdaten zurückgreifen und versuchen mit einem "Aufsichtsmodell" im Rahmen der Säule 2 die Angemessenheit der Eigenmittel zu verifizieren. Die italienische Aufsicht fordert neben der Quantifizierung aller wesentlichen Risiken durch die Institute im Rahmen von Risikotragfähigkeitskonzepten zwingend einen Stresspuffer für wirtschaftliche Abschwungphasen.

Freiheit und Verantwortung

Dieser kurze Überblick zeigt, dass die Methoden der Aufsicht zur Beurteilung der Risikotragfähigkeit im Rahmen der Säule 2 deutlich differieren. Das deutsche Modell bietet den Instituten dabei sehr weitreichende Freiheiten, verlangt aber andererseits auch einen verantwortungsvollen Umgang der Institute mit dieser Freiheit. Dass eine solche institutsindividuelle Vorgehensweise sowohl die Institute als auch die Aufsicht vor erhebliche Herausforderungen konzeptioneller Art und hinsichtlich der personellen Ressourcen stellt, ist eine logische Konsequenz. Im Sinne der Erhaltung einer gesunden Diversität von Geschäftsmodellen und bankindividuellen Steuerungskonzepten sollten nach Auffassung der Autoren jedoch beide Seiten - Aufsicht und beaufsichtigte Institute - bereit sein, diese Ressourcen zu investieren.

Systematisierung der internen Verfahren: Im Einklang mit der weitverbreiteten Praxis und Literatur unterscheidet die Aufsicht die bei den Instituten anzutreffenden Verfahren in Going-Concern- und Liquidationsansätze. Als Trennlinie dienen dabei insbesondere die im Bankaufsichtsrecht vorgegebenen Eigenkapitalanforderungen. Ein nachhaltiger Verstoß gegen diese zwingenden Anforderungen würde die Fortführung des Kreditinstituts unmittelbar in Frage stellen.

Als Going-Concern-Ansätze werden deshalb Ansätze zur Risikotragfähigkeit bezeichnet, bei denen die zwingenden Anforderungen nach der Solvabilitätsverordnung (SolvV) noch eingehalten wären, selbst wenn alle zur Risikoabdeckung angesetzten Positionen durch schlagend werdende Risiken aufgezehrt würden. Die Einhaltung der Vorschriften der SolvV sind dabei mehrdimensional zu betrachten, was die Komplexität eines Going-Concern-Ansatzes sehr stark erhöht. So ist neben der Gesamtkennziffer auch die Komposition der Eigenmittel bedeutend für die Einhaltung der Mindestkapitalquoten. Durch die Berücksichtigung der diversen Kappungsgrenzen für Ergänzungskapital und hybride Elemente sind aber auch diese regulatorischen Vorschriften der Säule 1 mit dem Gedanken des Going-Concern in der Säule 2 vereinbar.

Über die Solvabilitätsvorschriften im engeren Sinne hinaus spielen bei Going- Concern-Ansätzen auch die darüber hinausgehenden Anforderungen hinsichtlich Großkrediteinzel- und -gesamtobergrenzen eine Rolle. Um sicherzustellen, dass bei einer Verwirklichung von Risiken und einer daraufhin verminderten Eigenmittelausstattung nicht überraschend ein Konflikt mit diesen Vorschriften auftritt, sind auch die mit diesen Konzentrationsvorschriften verbundenen Kappungsgrenzen bereits im Vorfeld zu berücksichtigen.

Liquidationsansatz

Beinhaltet das zur Risikoabdeckung angesetzte Risikodeckungspotenzial Positionen, die zur Einhaltung der aufsichtlichen Mindestanforderungen benötigt werden, so handelt es sich nach der bankaufsichtlichen Unterscheidung um einen Liquidationsansatz.

Eine Aufzehrung von Eigenmitteln, die zur Unterschreitung der SolvV-Mindestanforderungen führt, bedeutet zwar nicht zwangsläufig, dass ein Institut tatsächlich liquidiert werden müsste. Die Aufsicht verfügt in diesen Fällen über verschiedene Instrumente, die indes auch die Möglichkeit einer Erlaubnisaufhebung und einer Anordnung der Liquidation beinhalten. Die erwähnten Instrumente stellen Handlungsoptionen der Aufsicht, nicht des betroffenen Kreditinstituts, dar. Allen Instrumenten ist gemein, dass das Institut nicht mehr alleine Herr des Geschehens beziehungsweise der Geschäfte, sondern den Entscheidungen der BaFin unterworfen ist. Aus Sicht des Instituts ergibt sich daraus, dass bei nachhaltiger Unterschreitung der aufsichtlichen Mindestanforderungen eine selbstbestimmte Geschäftsführung nicht mehr möglich ist und zumindest die potenzielle Gefahr einer Liquidation besteht.

Keine Wertung

Es sei darauf hingewiesen, dass mit den gewählten Begriffen "Liquidationsansatz" und "Going-Concern-Ansatz" keine Wertung verbunden ist. Liquidationsansätze sind nicht von vornherein besser oder schlechter als Going-Concern-Ansätze. Beide Sichtweisen bieten Vorteile, besitzen aber auch Defizite. Die Risikotragfähigkeit wird jeweils aus einer bestimmten Perspektive beleuchtet. Die Liquidationsperspektive bedingt aber grundsätzlich eine strengere Risikomessung als ein Going-Concern-Ansatz und zieht zudem Konsequenzen hinsichtlich der als Risikodeckungspotenzial anrechenbaren Positionen nach sich.

Risikodeckungspotenzial aus eigener Substanz: Im Hinblick auf das Risikodeckungspotenzial folgen die aufsichtlichen Beurteilungskriterien der Maxime, dass die Risikotragfähigkeit aus der eigenen Substanz eines Kreditinstituts heraus gewährleistet sein muss. Erhoffte Leistungen Dritter, die im Fall der eigenen Unfähigkeit, schlagend werdende Risiken auszugleichen, herangezogen werden sollen, dürfen daher nicht als Risikodeckungspotenzial angesetzt werden. Die Berücksichtigung von zugunsten eines Kreditinstituts abgegebenen Patronatserklärungen kommt daher ebenso wenig in Frage, wie der Ansatz von Haftsummenzuschlägen der Kreditgenossenschaften. Auch der Abschluss von Ergebnisabführungsverträgen und die damit verbundene Pflicht der Konzernobergesellschaft zum Verlustausgleich bietet einerseits keine Gewähr dafür, dass das ergebnisabführende Institut von sich heraus tragfähig ist. Andererseits müsste bei der Betrachtung der Risikotragfähigkeit der Tochter immer zeitgleich die Risikotragfähigkeit der Mutter unter Berücksichtigung aller konkret oder abstrakt abgegebenen Zusagen beurteilt werden. Dies würde aber ganz klar das Prinzip der Einzelinstitutsaufsicht verletzen und stünde im Widerspruch zu § 25a KWG, der sich an jedes Itnistut wendet.

Der "Waiver"

Die einzige rechtliche Konstruktion, die eine Vermengung von Einzelinstitut und Gruppe erlaubt, ist der sogenannte "Waiver" nach §2a KWG. Nur im Falle der aufsichtlich anerkannten Inanspruchnahme eines solchen Waivers für die Gruppe kann fortan auch die Risikotragfähigkeit ausschließlich auf Gruppenebene betrachtet werden und eine Sicherstellung auf Einzelinstitutsebene entfallen. Als Ausnahme vom grundsätzlichen Prinzip der Sicherstellung der Risikotragfähigkeit aus eigener aktueller Substanz wird den Instituten zugestanden, geplante Ergebnisbestandteile zumindest im Going- Concern-Ansatz in das Risikodeckungspotenzial einzubeziehen, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

Komponenten des Risikodeckungspotenzials: Die meisten deutschen Kreditinstitute steuern die Risikotragfähigkeit primär anhand von Steuerungskreisen, bei denen die Ermittlung des Risikodeckungspotenzials auf Positionen der externen Rechnungslegung abstellt. Im Hinblick auf bestimmte Positionen erwartet die Bankenaufsicht hier grundsätzlich eine Bereinigung der aus der Rechnungslegung übernommenen Werte. Ausgangspunkt ist insoweit die Frage, ob die betroffenen Positionen faktisch als valide Werte vorhanden wären, wenn sich Risiken in dem Ausmaß verwirklichen würden, in dem sie in einem konkreten Steuerungskreis eingegangen werden können.

Aus diesem Blickwinkel ist es nicht akzeptabel, das bilanzielle Eigenkapital unreflektiert als Risikodeckungspotenzial zu übernehmen, wenn in der Rechnungslegung Geschäfts- oder Firmenwerte, aktive latente Steuern oder Anteile im Fremdbesitz angesetzt sind oder Eigenbonitätseffekte aus einer Zeitwert-Bilanzierung von Verbindlichkeiten zum Tragen kommen. Aus Konsistenzüberlegungen sind insoweit bei Liquidationsansätzen teilweise strengere Maßstäbe anzulegen als bei Going-Con-cern-Ansätzen.

Stille Reserven als Risikodeckungspotenzial?

Ferner erwartet die Aufsicht, dass aus der Bilanzierung resultierende stille Lasten in Wertpapieren des Anlagebestands7) in einem Steuerungskreis vollständig eliminiert werden, sofern sie eine erhebliche Größenordnung ausmachen. In der Praxis stehen den Instituten hierzu zwei Möglichkeiten offen. Einerseits kann der Abzug im Rahmen eines Liquidationsansatzes erfolgen. Hier ist die Berücksichtigung von stillen Lasten ohnehin logisch geboten. Insofern ergäbe sich ein in sich konsistenter Ansatz, der sinnvolle Steuerungsimpulse auslösen kann.

Andererseits eröffnet die sehr offen gewählte Formulierung im Papier zur Risikotragfähigkeit auch die Möglichkeit, stille Lasten im Rahmen eines bestehenden Go-ing-Concern-Ansatzes zu eliminieren. Dieses logisch nicht zwingende und möglicherweise sogar inkonsistente Vorgehen (auch wenn stille Lasten wesentlich sind, entfalten sie solange keine eigenmittelreduzierende Wirkung, wie sie nicht im Rahmen der Rechnungslegung verarbeitet werden müssen) wird von der deutschen Aufsicht unter Verweis auf die Methodenfreiheit derzeit akzeptiert. Ob einem Institut aus Sicht der Unternehmenssteuerung allerdings wirklich geholfen ist, wenn es ein potenziell inkonsistentes Steuerungsverfahren verwendet, sei der Einschätzung eines jeden Instituts selbst überlassen. Die Berücksichtigung der stillen Lasten kann durch Abzug vom Risikodeckungspotenzial oder durch Ansatz als Risikobetrag geschehen. Stille Lasten können auch aus Pensionsverpflichtungen eines Kreditinstituts resultieren. Zumindest bei Liquidationsansätzen müssen diese bei Ermittlung des Risikodeckungspotenzials berücksichtigt werden.

Ob und unter welchen Voraussetzungen stille Reserven als Risikodeckungspotenzial geeignet sind, hängt insbesondere von der Art der Reserven ab. So ist der Ansatz von ungebundenen Vorsorgereserven nach § [340]f Handelsgesetzbuch (HGB) als Risikodeckungspotenzial in einem auf die HGB-Rechnungslegung abstellenden Steuerungskreis aus aufsichtlicher Perspektive grundsätzlich unkritisch. Die Vorsorgereserven könnten im nächsten Jahresabschluss durch einen schlichten Bewertungsvorgang gehoben und zum Verlustausgleich herangezogen werden, wobei sich keine steuerliche Belastung ergäbe.

Anders sind demgegenüber stille Reserven zu beurteilen, die nur durch Transaktionsvorgänge realisiert werden könnten. Hier ist zum einen eine etwaige Steuerbelastung zu gewärtigen, die bei Hebung der Reserven gegebenenfalls einträte. Insbesondere bei Reserven in wenig fungiblen Aktiva ist deren Realisierung zudem mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Die Aufsicht steht daher dem Ansatz solcher stiller Reserven als Risikodeckungspotenzial sehr reserviert gegenüber und knüpft ihn an strenge Maßstäbe.

Behandlung von Plangewinnen

Plangewinne können in Going-Concern-Ansätzen als Risikodeckungspotenzial akzeptiert werden, sofern sie konservativ kalkuliert sind und bei negativer Planabweichung zeitnah adjustiert werden. In einem Liquidationsansatz können Plangewinne - soweit sie nicht bereits unterjährig aufgelaufen sind - in der Regel keine Berücksichtigung finden. Würden schlagend werdende Risiken die Liquidation des Kreditinstituts auslösen, so wäre grundsätzlich davon auszugehen, dass dies künftige positive Ergebnisse vereiteln würde.

Der Ansatz geplanter Gewinnbestandteile ist daher nur insoweit plausibel, wie ein Institut darlegen kann, dass die Ergebniskomponenten auch im Liquidationsfall noch im Interesse der Gläubigerbefriedigung erzielbar wären. Der Ansatz von Ertragsbestandteilen, die nicht auf Bestandspositionen, sondern auf künftigem geplantem Neugeschäft beruhen, verbietet sich deshalb vollständig.

Von vornherein auf die Liquidationsperspektive stellen typische nachrangige Verbindlichkeiten ab, die per se nur im Insolvenz- beziehungsweise Liquidationsfall zum Verlustausgleich zur Verfügung stehen. Allerdings wird die Bankenaufsicht es selbst in Liquidationsansätzen nicht positiv zu würdigen wissen, wenn Institute bei der Definition der Elemente des Risikodeckungspotenzials zu aggressiv vorgehen. Insbesondere die Einbeziehung von nachrangigen Verbindlichkeiten wirft regelmäßig Fragen zum Zusammenspiel der Zinsrisikomessung und der Definition des Risikodeckungspotenzials auf.

Einbeziehung nachrangiger Verbindlichkeiten klar kommunizieren

Auch die von den Ratingagenturen festgelegte Ausfalldefinition und die retrospektive Ermittlung der Ausfallraten in Verbindung mit der prospektiven Aussage zur Risikotragfähigkeit ist im Falle des Einbezugs von nachrangigen Verbindlichkeiten kritisch zu hinterfragen. Auf jeden Fall sollte eine etwaige Einbeziehung nachrangiger Verbindlichkeiten in das Risikodeckungspotenzial hinreichend klar kommuniziert werden.

Barwertiges Risikodeckungspotenzial: Eher selten als primär steuerungsrelevante Verfahren sind in der Praxis wertorientierte Betrachtungen anzutreffen, deren Kennzeichen es ist, dass das Risikodeckungspotenzial losgelöst von Rechnungslegungsvorschriften rein aus ökonomischer Sicht ermittelt wird. Eine konsistente und hinreichend konservative Vorgehensweise setzt bei solchen Verfahren die Einhaltung bestimmter methodischer Mindestanforderungen voraus. So erwartet die Aufsicht, dass bei Ermittlung der Barwerte von Aktiva zukünftig zu erwartende Ausfälle von Schuldnern adäquat berücksichtigt werden. Dabei reicht es grundsätzlich nicht aus, die erwarteten Ausfälle lediglich eines Jahres zu ermitteln. Dies widerspräche der Logik wertorientierter Verfahren, die sich gerade von der Periodizität löst und folglich auch Erträge aus Aktiva berücksichtigt, die in späteren Perioden anfallen.

Das Gleiche ist hinsichtlich der Kosten zu beachten, die für Fortführung und Verwaltung der Positionen, insbesondere der Kreditportfolios, anfallen. Auch diese Bestandskosten müssen im Hinblick auf die Laufzeit der Positionen angemessen ermittelt und bei Berechnung des Risikodeckungspotenzials angesetzt werden. Weitere aufsichtliche Beurteilungskriterien zu wertorientierten Verfahren beziehen sich auf die Ablauffiktionen bei Positionen mit unbestimmter Laufzeit, die Barwertermittlung für eigene Verbindlichkeiten eines Instituts und den etwaigen Ansatz erwarteter Vermögenszuwächse.

Risiken und deren Quantifizierung

Welche Risikoarten bei der Risikotragfähigkeitssteuerung zu berücksichtigen sind, ergibt sich grundsätzlich aus den prinzipienbasierten Vorgaben der MaRisk. Konkretisierend enthält das im Dezember 2011 veröffentlichte Papier Hinweise zur Berücksichtigung einiger spezifischer Risikoarten. So wurde im Verlauf der Finanzmarktkrise evident, dass Credit-Spread- Risiken eine große Bedeutung erlangen können.

Für zinstragende Geschäfte im Eigendepot einer Bank sind deshalb grundsätzlich auch Credit-Spread-Risiken zu ermitteln und bei der Risikotragfähigkeitssteuerung zu berücksichtigen. Je nach Zuordnung der Positionen zu bestimmten Rechnungslegungskategorien kann hierauf allerdings bei Going-Concern-Ansätzen analog der Betrachtung von stillen Lasten gegebenenfalls verzichtet werden.

Zumindest in Liquidationsansätzen müssen ferner auch Migrationsrisiken angesetzt werden. Sie bezeichnen das Risiko einer Wertverschlechterung von Krediten aufgrund gestiegener Ausfallrisiken, ohne dass es bereits zu einem Ausfall der betroffenen Kreditnehmer gekommen ist. Soweit sich Migrations- und Credit-Spread-Risiken gemäß Nachweis eines Kreditinstituts überschneiden, kann es den Risikobetrag entsprechend reduzieren.

Bei der Quantifizierung der Risiken müssen sowohl erwartete als auch unerwartete Verluste angemessen Berücksichtigung finden. Bereits in die Bestimmung des Risikodeckungspotenzials eingehende erwartete Verluste müssen selbstverständlich auf der Risikoseite nicht nochmals berücksichtigt werden. Setzt ein Kreditinstitut hingegen nur den erwarteten Verlust als Risikobetrag an und ermittelt keine unerwarteten Verluste, wie es die Aufsicht gelegentlich feststellen musste, so greift dies allerdings zu kurz. Der Erwartungswert stellt kein Risiko, sondern die eigentliche Planungsgrundlage dar. Als Risiko kann demgegenüber nur die Gefahr einer im Vergleich mit dem Erwartungswert ungünstigeren Entwicklung bezeichnet werden.

Prüfung der Risikomaße auf Angemessenheit

Mit welchen Risikomaßen die in die Risikotragfähigkeitssteuerung einbezogenen Risikoarten quantifiziert werden, wird von der Bankenaufsicht grundsätzlich nicht vorgegeben. Die Aufsicht muss sich aber vorbehalten, die von einem Kreditinstitut selbst festgelegten Risikomaße auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen.

Ausgehend von den in der Praxis verbreiteten Methoden der Risikomessung werden in dem veröffentlichten Papier einige Kriterien zu verschiedenen Faktoren der Risikoquantifizierung behandelt. So wird klargestellt, dass die Risikoquantifizierung auf einen einheitlich langen in die Zukunft gerichteten Zeitraum abstellen muss (Risikobetrachtungshorizont). Dies ist durch entsprechende Verfahren auch dann zu gewährleisten, wenn beim Marktpreisrisiko - beispielsweise für Handelsportfolios ein Risikobetrag auf der Basis einer unterstellten kürzeren Haltedauer der Positionen errechnet wird. Die Annahme solcher kürzerer Haltedauern erfordert den Nachweis, dass eine Schließung der Positionen in der unterstellten kürzeren Frist im Hinblick auf die strategische Ausrichtung, die internen Prozesse und die Portfoliostruktur des Instituts möglich und plausibel ist. Ferner muss sichergestellt sein, dass auch bei wechselnden Positionen und zwischenzeitlichen Glattstellungen insgesamt nicht mehr Risikodeckungspotenzial aufgezehrt werden kann, als für diese Risiken für den gesamten Risikobetrachtungshorizont allokiert ist.

Die von der Aufsicht getroffene Unterscheidung von Risikobetrachtungshorizont, die einen positionsunabhängigen Blick auf das Portfolio verfolgt, und Haltedauer, die sich mit der Frage beschäftigt, wie lange eine einzelne Position durchschnittlich im Portfolio verweilt, ist für die Verzahnung von operativer Steuerung und Risikotragfähigkeit sehr wichtig. So würde eine blinde Übernahme der zur operativen Steuerung von Marktpreisrisikopositionen verwendeten Haltedauern (beispielsweise ein Tag, zehn Tage, drei Monate) eine eklatante Unterschätzung der Marktpreisrisiken im Rahmen der Risikotragfähigkeitsrechnung bedeuten und darüber hinaus die Marktpreisrisiken auch in der risikoorientierten Performancemessung deutlich zu gut abschneiden lassen. Würde man hingegen versuchen, ohne sinnvolle Überleitung mit den enormen Risikobeträgen des Marktpreisrisikos aus der Risikotragfähigkeitsbetrachtung eine operative Steuerung dieses Risikotyps durchzuführen, so könnte daraus eine sehr träge und marktferne Strategie erwachsen.

Schlüssel zu einer sinnvollen Verbindung gesucht

Der Schlüssel zu einer sinnvollen Verbindung beider Welten liegt in der Zusammenführung von (operativer) Haltedauer und Risikobetrachtungshorizont der Risikotragfähigkeitsbetrachtung. Einfache Verfahren skalieren die operative Haltedauer gegebenenfalls unter Berücksichtigung von prozessual verankerten Managementstrategien auf den üblicherweise einjährigen Risikobetrachtungshorizont. Fortgeschrittene Verfahren bedienen sich einer Simulation der in Abhängigkeit von bestimmten Marktphasen eingegangenen Marktpreisrisikopositionen.

Neben diesen technischen Details einer Verbindung von Haltedauer und Risikobetrachtungshorizont muss der Umgang mit Marktpreisrisiken und deren potenziellen Abbau als Folge von Risikomaterialisierungen zur Strategie des Hauses passen und insbesondere in Going-Concern-Ansätzen eine zukünftige Ertragsgenerierung langfristig sicherstellen. Weitere aufsichtliche Kriterien betreffen den (in die Vergangenheit gerichteten) Beobachtungszeitraum, zu dem Daten ermittelt werden, die in die Berechnung der Risikobeträge einfließen sowie generell sonstige Parameter der Risikoquantifizierung.

Grenzen der eingesetzten Verfahren

Der Bankenaufsicht ist bewusst, dass jedes Verfahren zur Steuerung der Risikotragfähigkeit Begrenzungen unterliegt. Dies gilt bereits für die Wahl des Grundtyps, der als Steuerungsansatz implementiert wird. So beleuchtet ein wertorientierter Steuerungsansatz grundsätzlich nicht, wie sich Risiken, sofern sie schlagend werden, auf die externe Rechnungslegung und in der Folge auf die Einhaltung der Säule-1-Anforderungen auswirken. Auch bei einem auf Rechnungslegungspositionen basierenden Liquidationsansatz wird möglicherweise nicht abgebildet, welche Auswirkungen schlagend werdende Risiken im Hinblick auf die SolvV-Anforderungen haben. In dem veröffentlichten Papier wird daher die Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass zumindest ergänzende Verfahren vorhanden sind, die auf die Einhaltung der aufsichtlichen Mindestkapitalanforderungen bei sich realisierenden Risiken abzielen.

Auch die in der Praxis zu beobachtenden Going-Concern-Ansätze beleuchten indes nicht jede Facette der Risikotragfähigkeit. So kann - je nach konkreter Ausgestaltung - in einem Going-Concern-Steuerungskreis über mehrere Jahre hinweg eine hinreichende Risikotragfähigkeit abgebildet werden, die aber tatsächlich mit einer Aushöhlung der Substanz des Instituts einhergeht. Hier greift die grundsätzliche Anforderung, dass die Institute sich der Grenzen ihrer Verfahren bewusst sein und ihnen angemessen begegnen müssen.

Die Aufsicht hat darauf verzichtet, als Ausgleich der genannten Beschränkungen jeweils einen zweiten Steuerungskreis zu verlangen. Vielmehr reichen bei Implementierung lediglich eines Steuerungskreises grundsätzlich ergänzende Verfahren aus, die nicht den Anforderungen an einen Steuerungskreis genügen müssen.

Zwei parallel einzurichtende Steuerungskreise

Aus Sicht der Autoren empfiehlt es sich aber, die Risikotragfähigkeit in zwei parallel einzurichtenden Steuerungskreisen zu steuern, die dann in sich jeweils konsistent ausgestaltet werden können. So könnten etwaige stille Lasten methodisch sauber in dem auf die Liquidationsperspektive abstellenden Steuerungskreis berücksichtigt werden, während sie in dem parallelen Going-Con-cern-Ansatz in der Regel unberücksichtigt blieben. Die Risikoquantifzierung sollte jeweils mit der unterschiedlichen Perspektive der beiden Steuerungskreise korrespondieren. Bei einer parallelen Limitierung der Risiken (zumindest auf aggregierter Ebene des Gesamtinstituts) könnte so sichergestellt werden, dass die Risikotragfähigkeit in beiden "Welten" Gegenstand der laufenden Steuerung ist.

Ungeachtet der Frage welche(n) Grundtyp(en) ein Institut als Steuerungskreis(e) implementiert, unterliegt stets auch die Quantifizierung der Risiken Restriktionen, deren sich das Institut bewusst sein muss. So bildet jedes Verfahren ein zu beschreibendes Risiko nur unter bestimmten Annahmen ab. Ferner können sich Beschränkungen aus den in die Risikoberechnung einfließenden Daten ergeben.

Wegen dieser systemimmanenten Schwächen jeglicher Art von Risikoquantifizierung fordern die MaRisk im Modul AT 4.3.3 ergänzende Stresstests. Auch im Aufsichtspapier zur Risikotragfähigkeit wird betont, dass Stresstests in diesem Zusammenhang eine komplettierende Funktion zukommt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Stresstests nicht bloß in Form von Sensitivitätsanalysen durchgeführt werden, sondern eine kritische Reflexion der für die Risikoquantifizierung gewählten Modellannahmen ermöglichen.

Transparenz der Beurteilungskriterien

Die deutsche Bankenaufsicht hat mit Veröffentlichung des Papiers im Dezember 2011 wesentliche Aspekte, die sie bei der Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte regelmäßig würdigt, wie auch ihre diesbezüglichen Beurteilungskriterien transparent gemacht. Bewusst wurde darauf verzichtet, den Kreditinstituten ein konkretes Konzept vorzugeben. Ausgehend von den in der Praxis zu beobachtenden Verfahren handelt es sich bei den dargestellten Aspekten um Gesichtspunkte, die sich in der Aufsichtspraxis heraus kristallisiert haben. Selbstverständlich ist damit kein abschließender Katalog aller möglicherweise relevanten Gesichtspunkte gegeben. Im Einzelfall fließen daher gegebenenfalls weitere Gesichtspunkte in die bankaufsichtliche Würdigung ein.

Das Papier spiegelt die aktuelle Verwaltungspraxis der Aufsichtsbehörden wider. Eine Weiterentwicklung der Aufsichtspraxis in der Zukunft ist selbstverständlich nicht auszuschließen. So können allein schon sich abzeichnende Änderungen im Aufsichtsrecht (Stichwort "CRD IV") wie auch der Rechnungslegungsstandards Anpassungsbedarf hinsichtlich der definitorischen Abgrenzungen oder einzelner Beurteilungskriterien auslösen. Darüber hinaus muss die Bankenaufsicht sich generell vorbehalten, auf neue Erkenntnisse zu reagieren, die sie im Rahmen ihrer laufenden Tätigkeit gewinnt.

Die im Beitrag vertretenen Auffassungen geben die persönliche Meinung der Autoren wieder und sind nicht notwendigerweise Positionen der BaFin oder Deutschen Bundesbank.

Der Beitrag ist in gekürzter Fassung im BaFin-Journal 2/2012 erschienen. Fußnoten

1) Deutsche Bundesbank, Zum aktuellen Stand der bankinternen Risikosteuerung und der Bewertung der Kapitaladäquanz im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungsprozesses, Monatsbericht Dezember 2007, S. 57ff.

2) Basel Committee on Banking Supervision: Range of practices and issues in economic capital frameworks, BCBS 152, Basel 2009.

3) Deutsche Bundesbank, Änderung der neu ge fassten EU-Bankenrichtlinie und der EU-Kapitaladäquanzrichtlinie sowie Anpassung der Mindestanforderungen an das Risikomanagement, Monatsbericht September 2009, S. 67ff.

4) Deutsche Bundesbank, "Range of Practice" zur Sicherstellung der Risikotragfähigkeit bei deutschen Kreditinstituten, im Internet unter www.bundesbank.de/download/bankenaufsicht/pdf/marisk/range_of_practice.pdf.

5) BaFin/Deutsche Bundesbank: Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte, im Internet unter www.bafin.de --> Veröffentlichungen --> Leitfäden oder www.bundesbank.de/download/bankenaufsicht/pdf/marisk/marisk_risikotragfaehigkeitskonzepte.pdf.

6) Exemplarisch sei hier die Definition von zwingenden Kapitalzuschlägen im Rahmen der Säule 2 für kleine Institute unter Verwendung des Herfindahl-Hirschmann-Indexes hinsichtlich Einzelnamenkonzentrationen und Branchenkonzentrationen genannt.

7) Im Papier der Aufsicht wird explizit nur von stillen Lasten in Wertpapieren gesprochen. Bundesbank und BaFin sind sich jedoch bewusst, dass vergleichbare Sachverhalte auch bei stillen Lasten aus anderen Finanzinstrumenten, die einen leicht zu ermittelnden Marktwert haben (beispielsweise Derivate), auftreten. In derartigen Fällen wird die Aufsicht selbstverständlich die hier angesprochenen Kriterien analog anwenden.

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