KARTENSTRATEGIE

"Payment und Banking wachsen immer mehr zusammen" / Interview mit Kilian Thalhammer

Kilian Thalhammer, Foto: Deutsche Bank AG

Im Zuge des Zusammenwachsens von Payment und Banking hat die Deutsche Bank das Händlergeschäft für sich entdeckt. Im Kern gleicht der Ansatz dem der VR Payment, sagt Kilian Thalhammer - nur dass die Deutsche Bank den Ansatz breiter denkt. Von den großen Payment-Dienstleistern wiederum will man sich durch die Banking-Komponente differenzieren. Kontonahe Leistungen sollen deshalb Teil des Produkts werden. Noch einiges zu tun sieht Thalhammer bei der technischen Basis für das Acquiring. Auch müsse das Bezahlartenportfolio erweitert werden. Als herausforderndste Kundengruppe bezeichnet er das mittlere Segment. Red.

In den vergangenen Jahren hat sich die deutsche Kreditwirtschaft Stück für Stück aus dem Händlergeschäft zurückgezogen. Weshalb besinnt sich die Deutsche Bank jetzt doch wieder darauf?

Einer der Gründe ist ganz klar marktgetrieben. Wir beobachten einen hohen Bedarf bei unseren Unternehmenskunden. Die Kunden erwarten, dass die Deutsche Bank die komplette Wertschöpfungskette von der Akzeptanz bis hin zum Cash Management integriert anbietet.

Zweitens erfüllt die Deutsche Bank jede Menge technologischer und regulatorischer Voraussetzungen dafür, in diesem Bereich wettbewerbsfähig zu sein. Nicht zuletzt sehen wir den Trend, dass die Bereiche Payment und Banking immer mehr zusammenwachsen und beides nicht mehr in Silos betrachtet wird, wie es in den vergangenen Jahren der Fall war.

Die Kombination aus Payment und Banking ist ja auch das, was die Genossenschaftsbanken mit VR Payment machen. Ist es auch das, was die Deutsche Bank vorhat?

In Teilen ja, wobei wir eine größere Zielgruppe im Visier haben. Gegenüber dem, was VR Payment tut, kommt bei der Deutschen Bank zum Beispiel das Großkundengeschäft dazu. Das heißt, wir denken den Ansatz breiter. Außerdem haben wir einige Möglichkeiten, die kleinere regionale Banken nicht haben, beispielsweise im Kreditgeschäft oder der großvolumigen Sepa-Abwicklung.

Sie nehmen ja die eigene Kundenbasis in den Blick. Wie wollen Sie die Kunden für das neue Angebot gewinnen, ohne in den Verdrängungswettbewerb einzusteigen?

Hier gibt es zwei Varianten. Variante Nummer eins: Auch unsere Kunden sind von der Geschäftsmodelltransformation betroffen und müssen sich neu aufstellen. In der Regel sind das Geschäfte, die näher an den Kunden herangehen und stärker digital abgewickelt werden. Hier sprechen wir von neuen Geschäftsmodellen, für die man sich dann auch neue Zahlungsverkehrsinfrastruktur anschafft. Es gibt also keinen Verdrängungswettbewerb.

Zweitens sehen wir bei kleineren Geschäftskunden eine sehr enge Verzahnung mit den Banking-Produkten. Hier ist die Verdrängung noch nicht so stark. Teilweise haben diese Kunden bereits Lösungen, da der Markt sich seit 20 Jahren entwickelt hat. Durch unser integriertes Angebot sind wir aber zuversichtlich, uns von Wettbewerbern zu differenzieren und so Marktanteile gewinnen zu können. Und das, ohne uns auf einen Preiskampf einlassen zu müssen.

Klar ist aber auch: Wenn man in einen großen Markt einsteigt, muss man sich in einem gewissen Umfang auf den Verdrängungswettbewerb einlassen.

Wo sehen Sie die größten Potenziale?

Das kommt darauf an, an welchen Kriterien man das festmacht. Kleine Unternehmen muss man mit einem sehr standardisierten Produktansatz bedienen. In dieser Betrachtung des Kleinkundengeschäfts als homogene Kundengruppe, die wir aktiv ansprechen können, sehe ich großes Potenzial. Die Herausforderung wird darin bestehen, möglichst effizient zu sein.

Bei großen Unternehmen dagegen ist ein hoher Individualisierungsgrad gefordert. Allerdings stehen hier langen Projektlaufzeiten üblicherweise auch lange Vertragslaufzeiten von fünf bis zehn Jahren gegenüber. Deshalb liegt die Kraft in der Kombination dieser beiden Kundengruppen.

Bei den Payment-Dienstleistern spielen Services im Bereich Loyalty eine immer größere Rolle. Was für Pläne haben Sie in diesem Bereich?

Die Angebote rund um das Payment lassen sich in drei Bereiche kategorisieren. Bereich Nummer eins sind diejenigen Angebote, die sehr nahe am Banking beziehungsweise dem Konto sind. Dazu gehören kreditähnliche Produkte wie die Vorauszahlung oder andere kontonahe Leistungen wie eine dynamische Währungskonversion im Zuge der Transaktion. Dieser Bereich ist klassisch unser USP - denn diese Lösungen haben wir schon, da wir aus der Bankwelt kommen. Solche Angebote werden wir integrieren und bewusst nicht als Mehrwertleistungen, sondern als Teil des Produkts anbieten.

Die zweite Kategorie sind Angebote wie Loyalty Businesses. Das sind neue Themen, die die Deutsche Bank bisher noch nicht im Köcher hat. Hier gilt allerdings: Loyalty Services sind von der Poten zialseite her im Markt aktuell nicht wettbewerbsentscheidend. Deshalb haben wir diese Themen aktuell nicht im Visier. Stattdessen beginnen wir damit, Payment und Banking zu integrieren und daraus Synergie zu generieren.

Mittelfristig werden wir uns - und das ist Punkt drei - stärker mit dem Thema Daten befassen. Generell konzentrieren wir uns auf unsere Kernkompetenzen.

Was sind denn Entscheidungskriterien für die Kunden?

Das hängt stark von der Zielgruppe ab. Für die kleinen Unternehmen muss das Thema einfach und ohne großen Aufwand integriert verfügbar sein.

Bei Großkunden liegt der Unterschied in der Individualisierung. Solche Kunden haben in den meisten Fällen bereits eine Infrastruktur und bestimmte Prozesse, die er nicht ohne Weiteres ändert. Neben der Individualisierbarkeit kommt es in diesem Segment darauf an, vom Bezahlansatz her global breit aufgestellt zu sein.

Am herausforderndsten ist der Bereich in der Mitte. Das betrifft diejenigen Unternehmen, die größer sind als SME und bereits einen gewissen Professionalisierungsgrad aufweisen, aber andererseits noch keine Individualisierungsanforderungen haben, sondern mit einer Standardlösung leben können. Hier sprechen wir von Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 100 und 300 Millionen Euro pro Jahr. Diese Unternehmen orientieren sich stark am Preis.

Welche Rolle spielen Partnerschaften im Ansatz der Deutschen Bank?

In der Payment-Branche wird niemand ohne Partnerschaften auskommen, auch die Deutsche Bank nicht. Alles selbst zu machen, ist völlig unrealistisch. Auch die Partnerschaft mit First Data werden wir in abgewandelter Form fortführen. Das betrifft vor allem das Terminalgeschäft.

Was genau beinhaltet die Partnerschaft mit Mastercard über das Issuing hinaus?

Gemeinsame Produktentwicklung außerhalb des klassischen Acquiring und Issuing. Konkreter kann ich momentan leider noch nicht werden.

Ihr Ansatz verbindet Acquiring mit dem Service von Payment Service Providern. Wo sehen Sie das größere Potenzial?

Payment Service Providing und Acquiring sind in letzter Zeit immer mehr zusammengewachsen. Insofern sehen wir das als ein Geschäft. Der Umsatzanteil im Acquiring ist natürlich größer als im PSP-Bereich, der ja im Grunde ein rein technisches Business ist und in dem deshalb auch die Service Fee deutlich geringer ist. Wir gehen davon aus, dass der Mehrwert in der Kombination aus beidem liegt. Das reine Acquiring-Geschäft wird dagegen mehr und mehr zum Auslaufmodell.

Welche Kostenvorteile versprechen Sie sich aus der Nutzung der technischen Infrastruktur der Bank? Und an welchen Stellen wird die möglicherweise noch angepasst werden müssen?

Kostenvorteile haben wir vor allem in denjenigen Bereichen, in denen wir heute schon tätig sind. Ein Beispiel sind Lastschrift-Abwicklungen. Da die Deutsche Bank einer der größten Lastschriftabwickler Europas ist, ergeben sich hier entsprechende Größeneffekte. Kaum einer der bestehenden Player wird in der Lage sein, die Kosten im Lastschrift-Business so niedrig zu halten wie die Deutsche Bank.

Die Bank hat das Thema Lastschrift nur bisher nicht direkt an Händler verkauft, sondern immer nur über Konten oder über Dritte. Das gleiche lässt sich für die Bezahlart Ideal in den Niederlanden sagen. Die Deutsche Bank ist schon heute einer der größten Ideal-Acquirer im Markt. Weitere Kostenvorteile ergeben sich bei allen Sepa-basierten Bezahlarten oder Foreign-Exchange-Geschäften.

Wo müssen wir noch etwas tun? Wir müssen unser Bezahlartenportfolio breiter aufstellen und wir müssen das Thema Card Acquiring technologisch aufsetzen.

Für dieses Jahr haben Sie auch eine mPoS-Lösung angekündigt. Was ist daran neu?

Das stimmt, daran arbeiten viele. Wirklich am Markt sind solche Lösungen jedoch noch nicht. Sondern wir sprechen hier über einen Markt, der sich gerade erst bildet. Die ersten Arbeiten an Soft-PoS-Lösungen in Zusammenarbeit mit Visa und Mastercard haben vor etwa zwei bis vier Jahren begonnen. Aber ich rechne frühestens im kommenden Jahr damit, dass hier Lösungen zur Marktreife kommen und im Markt großflächig ausgerollt werden. Und bis Angebote zum Thema Soft-PoS signifikant im Markt vertreten sind, wird es sicher vier bis fünf Jahre dauern. Das passt genau zu unserer Wachstumsstory.

Wir gehen davon aus, dass die Hardware-Terminals nach und nach verschwinden werden und durch Software-Lösungen ersetzt werden. Hier wollen wir eher früh am Markt mit dabei sein, wenn auch nicht als erster Anbieter, der dann auch entsprechend im Risiko wäre. Ende des dritten Quartals 2021 wollen wir mit unserer Lösung in den Pilotbetrieb gehen.

Vergleichen Sie das Händlergeschäft mit Payment-Anbietern wie Worldline oder Nexi oder ist der Ansatz dafür zu unterschiedlich?

Wir sind natürlich im selben Markt unterwegs - zumindest, wenn man vom Payment spricht. Denn beide Unternehmen haben natürlich sehr viele Produkte und sind keine puren Akzeptanz-Player.

In Großkunden-Ausschreibungen sind Worldline und Nexi natürlich unsere Wettbewerber. Und hier können wir uns durch die Verbindung zum Banking differenzieren. Vor allem bei bestehenden Deutsche-Bank-Kunden können wir diesen Vorteil voll ausspielen. Das heißt natürlich nicht, dass wir von Tag eins an auf dem gleichen Level sind. Es gibt durchaus noch Bereiche, in denen wir aufholen müssen. Wir glauben allerdings, dass es für uns leichter ist, die Lücke zu schließen, als es für andere Anbieter ist, in den Banking-Bereich hineinzukommen.

Kilian Thalhammer, Leiter Merchant Solutions, Deutsche Bank AG, Frankfurt am Main
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