RECHTSFRAGEN

BVerwG zeigt weiten Weg zur bargeldlosen Gesellschaft

Angesichts des Schubs, den die Entwicklung zum bargeldlosen Bezahlen auch in Deutschland seit Beginn der Corona-Pandemie erhalten hat, haben auch Träume von einer bargeldlosen Gesellschaft wieder verstärkt Fahrt aufgenommen. Dennoch ist der Weg bis dahin noch weit. Das zeigt nicht zuletzt ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig vom 27. April 2022 (BVerwG 6 C 2.2) zum ausnahmslosen Ausschluss einer Barzahlung von Rundfunkbeiträgen in der Beitragssatzung des Hessischen Rundfunks. Dieser verstößt dem Urteil zufolge gegen die EU-Vorgaben für Barzahlungsbeschränkungen bei der Erfüllung hoheitlich auferlegter Geldleistungspflichten sowie gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz.

Geklagt hatten zwei rundfunkbeitragspflichtige Wohnungsinhaber, die sich gegen die Beitragssatzung des Hessischen Rundfunks wendeten. Dort ist in § 10 Abs. 2 geregelt, dass der Rundfunkbeitrag nur durch Lastschrifteinzug, Einzelüberweisung oder Dauerüberweisung entrichtet werden kann, nicht aber in bar. Nachdem die Kläger in den Vorinstanzen erfolglos geblieben waren, hatte das Bundesverwaltungsgericht vor einer Entscheidung dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mehrere Fragen zur Auslegung des Begriffs des gesetzlichen Zahlungsmittels im Unionsrecht und zur Reichweite der ausschließlichen Kompetenz der Union im Bereich der Währungspolitik zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Nachdem der EuGH die Vorlagefragen mit Urteil vom 26. Januar 2021 beantwortet hatte, hat das Bundesverwaltungsgericht die Revisionen der Kläger zurückgewiesen. Unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH ist der 6. Senat zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Barzahlungsausschluss in der Beitragssatzung des hessischen Rundfunks nicht die bundesrechtliche Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG entgegengehalten werden kann, wonach auf Euro lautende Banknoten das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel sind. Denn diese Norm determiniert in Anbetracht ihres Ziels und ihres Inhalts die rechtliche Ausgestaltung des Status der Euro-Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel und verstößt damit gegen die ausschließliche Regelungskompetenz der Union im Bereich der Währungspolitik (Art. 3 Abs. 1 Buchst. c AEUV).

Dennoch steht die beanstandete Regelung nicht uneingeschränkt in Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben, die der EuGH in der genannten Entscheidung näher ausgeformt hat. Denn danach beinhaltet der Status als gesetzliches Zahlungsmittel zwar eine grundsätzliche Verpflichtung zur Annahme von Euro-Bargeld, allerdings sind die Mitgliedsstaaten befugt, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen Ausnahmen vorzusehen. Diese Voraussetzungen sind dem Bundesverwaltungsgericht zufolge bei § 10 Abs. 2 der Beitragssatzung mit dem Ausschluss der Barzahlungsmöglichkeit überwiegend erfüllt. Die Regelung führt nicht zu einer rechtlichen oder faktischen Abschaffung der Euro Banknoten und wurde zudem aus Gründen des öffentlichen Interesses, nämlich der Kostenersparnis sowie der effizienten Durchsetzung der Beitragserhebung erlassen. Ein Verstoß gegen EU-Recht liegt jedoch im Fehlen einer Ausnahmeregelung, das Menschen ohne Girokonto unverhältnismäßig beeinträchtigt.

Auf die Möglichkeit der Bareinzahlung bei einem Kreditinstitut auf das Beitragsabwicklungskonto ARD/ZDF/Deutschlandradio können diese Personen wegen der damit verbundenen erheblichen Zusatzkosten nicht verwiesen werden. Das sehen die Leipziger Richter zudem als Verstoß gegen das Gleichbehandlungsverbot des Grundgesetzes. In der Folge hat das Bundesverwaltungsgericht angeordnet, dass solchen Beitragspflichtigen, die nachweislich weder bei privaten noch bei öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten ein Girokonto eröffnen können, die Zahlung des Beitrags mit Bargeld ohne Zusatzkosten ermöglicht werden muss. In diesem Sinne muss die Beitragssatzung angepasst werden.

Unter dem Strich heißt das: Trotz der Rolle des Bargelds als gesetzliches Zahlungsmittel darf es Ausnahmen geben. Sie müssen allerdings gut begründet sein und ihrerseits wieder Ausnahmeregelungen für Menschen enthalten, denen bargeldlose Zahlungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen. Auf diese Ausnahmeregelungen berufen können sich in Deutschland allerdings vermutlich nur vergleichsweise wenige Personen. Dennoch muss es zumindest für sie eine Barzahlungsmöglichkeit geben. Wie sich das wohl mit einem digitalen Euro darstellen würde? Red.

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