Interchange

Verbraucher vor dem "Kobra-Effekt"?

Die Kommission der Europäischen Union (EU-Kommission) hat zuletzt Interbankenentgelte für kartengestützte Zahlungsvorgänge unter die Lupe genommen. Die Entgelte für Zahlungen sollen auf 0,2 Prozent des Transaktionswertes bei Debitkarten gedeckelt werden. Bei Kreditkarten sind es 0,3 Prozent. Die neue Regel soll zunächst nur für grenzübergreifende Transaktionen gelten. Nach einer Übergangsfrist von 22 Monaten soll sie auch auf inländische Transaktionen ausgeweitet werden.

Aktuell sind die Entgelte deutlich höher. Das hat Nachteile für die Verbraucher. Entweder werden die Karten nicht von allen Händlern angenommen. Oder die Händler wälzen die Kosten über erhöhte Preise auf die Verbraucher ab.

Interbankenentgelte dem Verbraucher kaum bewusst

Mit der Regulierung der Interchange wendet sich die Kommission einem Thema zu, das für die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher unbekannt und aus ihrer Sicht zunächst wohl auch irrelevant erscheint - trotz der im Jahr 2012 ausgegebenen 133 Millionen Karten mit Zahlungsfunktion.

Obwohl vermutlich nahezu jeder Verbraucher eine oder mehrere Zahlungskarten besitzt, sind sie mit den Details eines Zahlungsvorgangs wenig bis gar nicht vertraut. Viele Verbraucher wissen, ob sie eine Debitkarte oder eine Kreditkarte verwenden - zumindest wenn zuvor klargestellt wird, dass es sich bei der Debitkarte um die "ec-Karte" handelt. Die Frage, ob sie eine echte oder unechte Kreditkarte nutzen, würden viele Verbraucher mit einem Achselzucken beantworten. Die Existenz von Interbankenentgelten, ihre Höhe oder ihr Einfluss auf die Einzelhandelspreise und Kartenkosten ist vielen Verbrauchern nicht bewusst.

Die Deckelung der - aus Sicht der Kommission überzogenen - Interbankenentgelte soll die Gebühren senken, die Händler an ihre Banken zahlen. Die Händler wiederum sollen diese Einsparungen - so die Vorstellung der Kommission - über niedrigere Einzelhandelspreise zumindest teilweise an die Verbraucher weitergeben. Die EU-Kommission hat somit auch das Wohl der Verbraucher im Blick. Mittelbar sollen Verbraucher auch von Innovationen und neuen Dienstleistungen profitieren.

Die ideale Karte aus Verbrauchersicht: sicher, vielseitig einsetzbar und günstig

Die Erwartungen der Verbraucher an eine Zahlungskarte sind naturgemäß unterschiedlich und stehen teilweise auch in einem Zielkonflikt zueinander. Dennoch lassen sich drei Erwartungen formulieren, die die allermeisten Verbraucher an ihre Zahlungskarte haben: Sie wollen erstens ein sicheres, zweitens ein vielseitig einsetzbares und drittens ein günstiges Zahlungsmittel mit der Karte erhalten. Günstig ist eine Zahlungskarte für Verbraucher dann, wenn die unmittelbaren Kosten aus ihrer Sicht nicht zu hoch beziehungsweise nicht über den Kosten vergleichbarer Zahlungsmittel liegen. Unmittelbare Kosten sind solche, die durch den Besitz oder Einsatz einer Karte entstehen. Dazu zählt vor allem die Jahresgebühr, aber auch Gebühren für Abhebungen an (institutsfremden) Geldautomaten sowie niedrige Dispositions- und Überziehungszinsen. Auch mittelbare Kosten sind kein unwichtiges Kriterium. Hierunter sind die Kosten zu verstehen, die nicht direkt für den Kartenbesitz oder den -einsatz berechnet werden, sondern die der Handel über die Kalkulation der Verkaufspreise auf die Konsumenten abwälzt.

Die Sicherheit des eingesetzten Zahlungsmittels ist für die Verbraucher besonders wichtig. Dies belegen mehr als 56 000 verdächtige E-Mails, die Verbraucher im Jahr 2013 dem "Phishing-Radar" der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen gemeldet haben. Zwar ist "Phishing" eher dem Online-Banking zugehörig, dennoch zeigt es das enorme Interesse der Verbraucher an der Sicherheit ihrer Zahlvorgänge, zu denen auch Kartenzahlungen zählen.

Nicht zuletzt möchten Verbraucher die ihnen zur Verfügung stehenden Zahlungskarten auch möglichst jederzeit und an jedem Ort nutzen können. Sowohl zu verschiedenen Zwecken (Bezahlen, Bargeldabhebungen) als auch an möglichst vielen Akzeptanzstellen und Geldautomaten im In- und Ausland.

Vorteile für den Konsumenten fraglich

Befürworter und Gegner der geplanten Regulierung diskutieren derzeit kontrovers die Auswirkungen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Beteiligten anhand der Erfahrungen anderer Märkte und auf Grundlage diverser Prognosen über die Auswirkungen/Folgen der Regulierung sprechen. Die Frage kann ex ante nicht abschließend beantwortet werden. Die EU-Kommission erwartet, dass die Deckelung der Interbankenentgelte die Händlergebühren verringern wird. Die Entlastung sollen die Händler dann über die Einzelhandelspreise zumindest teilweise an die Verbraucher weiterreichen.

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen begegnet dieser Hoffnung mit Bedenken:

- Zum einen ist fraglich, ob Einzelhändler tatsächlich in der Lage wären, geringere Entgelte durchzusetzen.

- Zum anderen erscheint der Anreiz gering, die Einsparungen tat sächlich an die Verbraucher weiterzureichen.

- Zudem befürchten wir, dass die Kartenherausgeber (Issuer) sich ihre Verluste von den Verbrauchern zurückholen, in dem sie andere Entgelte erhöhen, zum Beispiel die Jahresgebühr der Karte.

Letzteren Einwand hält die EU-Kommission für unwahrscheinlich. Sie sieht den Grund für steigende Jahres gebühren eher in einem zu geringen Wettbewerb im Privatkundengeschäft.

"Kobra-Effekt" als Worst-Case-Szenario

Der schlimmste Fall für Verbraucher dürfte eintreten, wenn einerseits der Handel die Einsparungen nicht über sinkende Preise an die Verbraucher weitergibt und andererseits die Kartenherausgeber versuchen, die entstehenden Verluste über höhere Entgelte an anderer Seite wieder hereinzuholen. In diesem Fall zahlen die Verbraucher die Zeche, es entsteht der sogenannte "Kobra-Effekt".

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen fordert deshalb:

1. Die Banken müssen nachweisen, dass ihnen durch die Decke lung tatsächlich Minderein nahmen entstehen. Bisher bestreiten Banken und Kartenherausgeber, dass die vorgegebenen Deckel kostendeckend sind. Andere Banken weisen zugleich darauf hin, dass Banken - soweit sie Issuer und Händlerbank (Acquirer) sind - die Mindereinnahmen als Issuer durch geringere Kosten als Acquirer kompensieren können. Die Kommission nimmt an, dass die Deckelung der Interbanken entgelte zu mehr Transaktionen (und daraus folgend zu Kosteneinsparungen bei der Bargeldbearbeitung und den Bargeldabhebungen an Geldautomaten) führen könnte, was die Verluste zumindest teilweise ausgleichen soll.

2. Die Händler müssen Einsparungen an die Verbraucher weitergeben. Die Deckelung der Interbankenentgelte darf nicht zu einer Gewinnmaximierung beim Handel führen. Selbstverständlich darf hier nicht außer Acht gelassen werden, dass es "den" Händler nicht gibt, sondern sich dahinter kleine Händler und Großkonzerne sowie verschiedene Branchen verbergen.

3. Das Vertrauen in die Sicherheit von Zahlungskarten darf nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Sinken wegen der Deckelung des Interbankenentgeltes die Margen einiger Marktteilnehmer, dürfte deren Bereitschaft sinken, in die Sicherheit von Kartenzahlsystemen zu investieren. Dies wäre jedoch der falsche Schritt: Verlieren die Verbraucher das Vertrauen in die Sicherheit von Kartenzahlungen, würden sie sich von dieser Bezahloption abwenden. Die Margen der Marktteilnehmer würden dann noch wesentlich mehr leiden.

Aufhebung der "Honour-all-Cards"-Regel verunsichert den Verbraucher

Die meisten Verbraucher wünschen sich eine möglichst große Akzeptanz ihrer Zahlungskarte. Auf der anderen Seite wissen sie kaum etwas über die verschiedenen Kartentypen und -funktionen. Die Funktion eines Vier-Parteien-Systems zwischen Kartenherausgeber, Karteninhaber, Händlerbank und Händler zuzüglich der Kartenorganisationen ist den meisten Verbrauchern unbekannt.

Die Kommission will die "Honour-all-Card-Rule" aufheben, um es Händlern zu ermöglichen, ihre Kunden zu preiswerteren Zahlungsmitteln zu lenken. Geringere Händlerkosten würden auch den Verbrauchern zugutekommen. Dies ist zunächst ein begrüßenswertes Ziel. Sollten Händler nur bestimmte Karten akzeptieren, könnte dies jedoch das Einkaufsverhalten von Verbrauchern beein trächtigen. Dann müssten Verbraucher mehrere Karten griffbereit haben. Sie könnten sich beispielsweise nicht mehr sicher sein, ob ihre Karten am Urlaubsort akzeptiert werden. Verbraucher wären darauf angewiesen, andere Zahlungsmittel wie beispielsweise Bargeld mit sich zu führen.

Wir befürchten, dass bei den Verbrauchern dadurch eine massive Unsicherheit entsteht, ob und wie sie ihre Karten nutzen können. Ob die von der Kommission vorgeschlagenen Gegenmaß nahmen (Information am Geschäftseingang, Kasse, Website) ein Wirrwarr verhindern, erscheint uns zweifelhaft. Den Verbrauchern dürfte in vielen Fällen nicht klar sein, welche Karten sie besitzen.

Kosten nicht auf den Verbraucher abwälzen

Die Verbraucherzentralen haben bereits auf dem Rechtswege in zahlreichen Verfahren dafür gesorgt, dass unzulässige Entgelte von Banken und Händlern nicht mehr verwendet werden dürfen. Sollten Anbieter für die Nutzung von Zahlungskarten aus Sicht der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen dem Grunde oder der Höhe nach unzulässige Entgelte von den Verbrauchern verlangen, werden wir weiterhin mit juristischen Mitteln dagegen vorgehen.

Sollte die Sicherheit von Kartenzahlungen wegen der Deckelung der Interbankenentgelte eingeschränkt werden, stehen den Verbraucherzentralen ebenfalls verschiedene Möglichkeiten offen. Sie werden die Konsumenten über Sicherheitsprobleme informieren und auffordern, ihre Marktmacht zu nutzen und zu sicheren Anbietern oder Zahlungsvarianten zu wechseln. Haftungsrechtliche Grundsatzfragen - ob zum Beispiel die verwendeten Sicherheitsstandards noch ausreichen - können darüber hinaus in Musterprozessen geklärt werden.

Als Fazit lässt sich festhalten: Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen begrüßt Initiativen, die zu einer Kosteneinsparung bei den Verbrauchern führen. Wir fordern die betroffenen Unternehmen auf, dieses Ziel der EU-Kommission nicht zu unterwandern. Die neuen Regeln dürfen nicht dazu missbraucht werden, andere Kosten auf die Verbraucher abzuwälzen oder zusätzliche Einnahmen zu generieren.

Sinkende Sicherheitsstandards bei Kartenzahlungen würden das Vertrauen der Verbraucher in Zahlungskarten beschädigen und könnten dazu führen, dass Verbraucher seltener mit Karten bezahlen. Konsumenten müssen Akzeptanzstellen für Zahlungskarten leicht erkennen können. Ein Wirrwarr bei der Kartenakzeptanz muss in jedem Fall verhindert werden.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X