Im Gespräch

"Bei der Segmentierung im Debitgeschäft liegt ein Denkfehlervor"

Bei Mastercard gab es in jüngster Zeit einige Umstrukturierungen: Die Geschäftseinheit European Business Development wurde neu gegründet und die Verantwortung für die Märkte Deutschland, Schweiz und Öster reich wieder getrennt. Gibt es einen neuen Trend zur Dezentralisierung bei Mastercard?

Nein, ich sehe da keine fundamentalen Veränderungen. Wir sind weiterhin ein globales Unternehmen mit einer ausgeprägten regionalen Struktur. So haben wir neben den USA in Asien, Lateinamerika und Europa ein starkes Management, welches für die Entwicklung des Geschäftes in diesen Regionen zuständig ist. Wie bekannt sitzt unser Europa-Chef Javier Perez in Brüssel. Auch gibt es ja die bestehenden regionalen Foren wie das European Board, in denen die regionalen Kunden vertreten sind.

Aufgrund der Marktveränderungen in der Region, zum Beispiel Sepa, und der Öffnung der lokalen Märkte haben wir unsere Marktbearbeitung verändert. So können wir bei regionalen Projekten effektiver auf der europäischen Ebene arbeiten und uns auch gleichzeitig lokal dezidiert den Eigenheiten der einzelnen Märkte widmen. Wir agieren da nach dem Motto: "global denken, lokal handeln".

Stichwort Sepa: Welche Chance sehen Sie vor dem Hintergrund der neuen Segmentierungsstrategien der Banken im Debitgeschäft für Maestro?

Wir glauben, dass wir gut aufgestellt sind und wollen den neuen Wettbewerb annehmen.

Es bleibt abzuwarten, ob die Strategien tatsächlich so umgesetzt werden, wie sie vorgestellt wurden, und ob sie im Markt tatsächlich funktionieren können. Denn letztlich könnte eine Segmentierung sehr schnell zum Wettbewerbsnachteil werden, wenn ein Kunde bei seiner Bank mit einer Debitkarte mit geringerer Funktionalität ausgestattet wird als bisher.

Zudem glaube ich, dass hier ein Denkfehler vorliegen könnte: Die Überlegungen basieren auf dem bislang geringen Anteil des Auslandszahlungsverkehrs. Dabei wird aber übersehen, dass dieser Anteil sehr schnell steigt. Denn durch den einheitlichen Euro-Raum gibt es grenzüber schreitend ganz neue Regionen. In grenznahen Regionen schnellt das Cross-Bor -der-Geschäft regelrecht in die Höhe. Der Markt ist nicht länger nur touristisch, sondern auch vom alltäglichen Einkaufen jenseits der Grenzen geprägt (siehe Abbildungen 1 und 2).

Grundsätzlich finde ich Segmentierung gut. Es ist aber immer die Frage, welches Ziel man damit verfolgt. Wenn es nur darum geht, Kosten zu sparen, kann das aus Sicht von Funktionalität, Service und Kundenerwartung auch riskant sein.

Angesichts der Auseinandersetzungen um die Gebühren für die Fremdnutzung von Geldautomaten verweisen immer mehr Banken ihre Kunden für die Bargeldversorgung auf die Kreditkarte. In der Regel ist das ein Visa- Thema. Ist das eine Preisfrage?

Nein. Das liegt schlicht an der Ausrichtung des Kartengeschäfts der entsprechenden Emittenten. Es geht um unterschiedliche Service-Fees zwischen Acquirer und Issuer.

Aus Sicht der Kartenorganisationen sind die GAA-Transaktionen sicher weniger relevant als die echten Bezahlvorgänge. Dennoch: Könnte die Dominanz von Visa im Bereich der Bargeldversorgung nicht auch ein Wettbewerbsnachteil für Mastercard am Point of Sale werden?

Wir sehen das nicht als große Bedrohung. Denn die Karte, die am Geldautomaten genutzt wird, ist für den Kunden in erster Linie eine Bargeldkarte, bei der das Zahlen nicht im Fokus steht. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass man hier in Erklärungsnot kommt, was die Positionierung der Kreditkarte als Zahlungsinstrument betrifft.

Welche Aufgaben sehen Sie für Mastercard in Deutschland?

Zum einen müssen wir unser Selbstver ständnis als unabhängiger Dienstleister für Banken und Handel noch besser kommunizieren.

Das Vier-Parteien-System lebt davon, dass alle Beteiligten hierin für sich einen Vorteil erkennen. Wir sehen unsere Aufgabe darin, dafür zu sorgen, dass das bestehende System zum Nutzen aller funktioniert.

Das ist nicht immer einfach, denn es ist sehr viel Bewegung in den Zahlungsver kehrsmarkt gekommen und daher entsteht möglicherweise bei einigen der Eindruck, dass neben der Kundenbeziehung auch eine potenzielle Wettbewerbssituation in der Infrastruktur entstehen könnte.

Die absehbaren und auch vielleicht nicht absehbaren potenziellen Veränderungen durch Sepa stehen im Raum - und das sollte man durchaus als Chance begreifen. Das ist auch der Grund, weshalb ich zu Mastercard gekommen bin: Jetzt ist der Moment, da wir alle etwas bewegen können.

Die zweite Aufgabe in Deutschland ist es, die Paypass-Infrastruktur weiter voran zutreiben. Das wird in diesem Jahr eine hohe Priorität haben und bedeutet zugleich, dass wir stärker mit den Händlern sprechen müssen, als wir dies in der Ver gangenheit getan haben.

Drittens wollen wir etwas für die Akzeptanz tun: Hier haben wir mit einem Hersteller mobiler Terminals und den Mobilfunkanbietern verhandelt, um die Infrastruktur für mobile Akzeptanz zu schaffen. Die Markteinführung ist noch in diesem Jahr geplant. Die Gespräche mit Netzwerkbetreibern und Acquirern laufen.

Wir hoffen, damit neue Bereiche für die Kartenakzeptanz zu gewinnen, in denen es unserer Meinung nach trotz der kleineren Beträge sinnvoll ist, die Kartenzahlung anzubieten. Wann wird Paypass in größerem Stil in Deutschland zum Einsatz kommen?

Dabei haben wir es mit einem typischen Henne-Ei-Problem zu tun. Wir müssen sowohl Kartenbasis als auch Akzeptanz Schritt für Schritt weiterentwickeln. Infrastrukturinvestitionen in den Markt sind immer ein schwieriges Thema. Aber wir registrieren ein enormes Interesse bei Emittenten und Akzeptanten.

Wie sieht das auf der Karteninhaberseite aus? Schließlich gelten deutsche Karteninhaber als besonders besorgt im Hinblick auf Sicher heitsfragen.

Natürlich gibt es kulturelle Unterschiede zwischen den einzelnen Märkten. Fragt man nach dem größten Hindernis für den Einsatz der Karte, haben die Sicherheitsbedenken in Deutschland sicher den größten Stellenwert.

Dennoch sehe ich darin kein unüberwindbares Hindernis. Zum einen sprechen wir bei Paypass von kleinen Beträgen bis etwa 25 Euro. Zum anderen haben wir in der Produktentwicklung einiges getan, um genau diesem Thema zu begegnen.

Grundsätzlich muss man die Ängste der Verbraucher ernst nehmen. Das bedeutet: Man muss dem Kunden das Produkt erklären. Nur zu sagen "Du brauchst keine Angst zu haben", reicht dabei nicht aus. Man muss dem Kunden auch ein Produkt bieten, das ihm die Sorge nimmt. Viele Menschen haben zum Beispiel Angst vor der Überschuldung oder schlicht davor, die Kontrolle zu verlieren. Um dem zu begegnen, kann man Produkte entwickeln, bei denen der Kunde weiß, wie viel Geld er noch zur Verfügung hat. Hier gibt es ver schiedene Möglichkeiten vor allem mit Hilfe des Mobiltelefons. Diese Art von Produkten werden wir aller Voraussicht nach in Deutschland als erstes einführen.

Ganz allgemein: Welche Wünsche trägt der Handel an Sie heran?

Auch die Händler bewegen sich. Bisher ging es vor allem um die Kosten. Das hat sich ein wenig geändert. Jetzt wird auch darüber gesprochen, welche Vorteile die Kartenzahlung jenseits der Kostenfrage haben kann - beispielsweise das Thema Schnelligkeit beim kontaktlosen Zahlen und die Möglichkeit, auf diesem Weg neue Kunden zu gewinnen. Diese Gespräche führen wir derzeit.

Das zweite, was vor allem international tätige Unternehmen wünschen, sind einheitliche Standards. Darauf haben wir nur bedingten Einfluss. An der Definition und Schaffung solcher Standards sollten alle im Prozess Beteiligten arbeiten, damit wir in der Lage sind, markfähige und kundengerechte Produkte anzubieten.

Welches Potenzial sehen Sie in Deutschland für Prepaid-Karten?

Wir sehen in unserem Kundenkreis durchaus Interesse. Vor allem als Gift Card und als Einstiegsprodukt für jugendliche Kunden werden wir sicherlich in Kürze weitere Verbreitung von Prepaid-Karten in Deutschland sehen.

Die Sorge, dass Karteninhaber die Kontrolle verlieren, hat die Kreditkarte zunehmend ins Visier von Verbraucherschützern gebracht. Inwieweit sehen Sie auch den Dialog mit diesen als Aufgabe von Mastercard?

Für Verbraucherschutzorganisationen sind wir eigentlich nicht der richtige Ansprechpartner. Schließlich stellen wir mit der Karte nur ein Vehikel zur Verfügung. Die Karte ist ein sehr flexibles Produkt, das man mit einer Vielzahl von Funktionen aufladen kann. Die Frage ist immer, wie man diese Funktionen verpackt. Weil dies in der unterschiedlichsten Weise erfolgt, werden wir häufig für Dinge gescholten, die eigentlich nicht in unseren Verantwortungsbereich fallen.

Nach der neuen EU-Verbraucherkreditrichtlinie wird der Kontokorrentkredit in der bisherigen unbürokratischen Form wohl nicht mehr angeboten werden können. Welche Chancen sehen Sie vor diesem Hintergrund für "echte" Kreditkarten?

Es wäre sicher vermessen, das in diesem Stadium beurteilen zu wollen. Dazu ist es jetzt noch zu früh.

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