Produktpolitik

Der neue Trend zum Mehrwert

Der Kundenservice ist für Banken eines der wichtigsten Differenzierungsmerkmale, so ein Fazit des "World Retail Banking Report 2011" des Beratungshauses Capgemini. Für 55 Prozent der Befragten ist eine schlechte Servicequalität sogar ein Kündigungsgrund. Im Sinne der Kundenbindung sollten individuelle Bedürfnisse also möglichst konsistent über alle Vertriebskanäle hinweg erfüllt werden. Während sich deutsche Finanzinstitute beim Thema Service häufig noch auf klassische Kontaktpunkte wie die Filiale oder das Internet konzentrieren, gewinnt vor allem in Südosteuropa ein weiterer Kanal rasant an Bedeutung: Kredit- oder Debitkarten werden mit zusätzlichen Funktionen für die unterschiedlichsten Zielgruppen ausgestattet und entwickeln sich dadurch vom Kostenfaktor zum einträglichen Kundenbindungsinstrument.

Die Möglichkeiten für Dienstleistungen via Karte sind vielfältig. Banken können ihre Zahlungsinfrastruktur beispielsweise für branchenspezifische Angebote wie Dynamic Currency Conversion (DCC) oder die Mehrwertsteuerrückerstattung nutzen; darüber hinaus bieten sich außerdem Loyalty Services nach dem Vorbild des Einzelhandels an: Dort erhalten Kunden bereits seit vielen Jahren Co-Branding-Rabatte, elektronische Gutscheinkarten oder Prämien, um die Kundenbindung zu erhöhen - ein Modell, dass sich auch in Verbindung mit der Bankkarte umsetzen lässt.

Aus der Perspektive der Banken bergen die multifunktionalen Karten gleich doppeltes Potenzial, denn neben dem positiven Effekt auf die Kundenbindung steigern sie mit jeder Transaktion den Umsatz aller beteiligten Parteien. Ein Faktor ist jedoch unter beiden Gesichtspunkten entscheidend: Die angebotenen Dienstleistungen müssen auf den individuellen Bedarf der Kunden zugeschnitten sein. Dann wirken sie sich wie gewünscht auf die Loyalität der Kunden aus und erhöhen gleichzeitig die Anzahl der gewinnbringenden Transaktionen.

Pioniere machen es vor

Die technischen Voraussetzungen, um Kundenbindungsprogramme für Kredit- und Debitkarteninhaber umzusetzen, sind bereits gegeben. Vorreiter bei der Einführung entsprechender Programme sind aktuell vor allem Finanzinstitute in Südosteuropa. Eine der größten türkischen Privatbanken etwa ermöglicht ihren Kunden, mit Hilfe ihrer Kreditkarte beim Geldausgeben zu sparen: Für jede Transaktion erhalten sie Bonuspunkte, die sie in Goldwerte eintauschen können. Kooperationspartner ist in diesem Fall ein Schmuckanbieter, der die Bonuspunkte bei Onlinebestellungen als Zahlungsmittel akzeptiert.

Dasselbe Finanzinstitut macht außerdem vor, wie sich Mehrwertdienste für Kreditkarten selbst ohne Karte umsetzen lassen. In Zusammenarbeit mit einem Telekommunikationsunternehmen und einem Kreditkartenanbieter hat die Bank ein System entwickelt, in dessen Zentrum eine Prepaid-SIM-Karte steht. Diese dient nicht nur als Telefonkarte, sondern auch als kontaktloses Zahlungsmittel an jedem Verkaufspunkt, sofern dieser über die entsprechende Technologie verfügt und auch die klassische Kreditkarte akzeptieren würde. Das Aufladen der SIM funktioniert ebenfalls kontaktlos an den Geldautomaten der Bank, von denen zumindest ein Teil bereits mit der notwendigen Near-Field-Communication-Technologie (NFC) ausgerüstet ist.

es ist e und Nun ist nicht jeder Mehrwertservice für jede Zielgruppe geeignet. Für das Gros der Kunden bieten sich zum Einstieg sicherlich die kartenbasierten Bonussysteme an - etwa Kooperationen mit passenden Online-Händlern für Privatkunden oder ein Miles & More-Programm für Geschäftsreisende. Kontaktloses Zahlen ist momentan vor allem für jüngere, technikaffine Zielgruppen interessant. Die Erfahrungen aus den südosteuropäischen Märkten zeigen allerdings, dass die Nachfrage nach kontaktlosen Dienstleistungen mit zunehmender Reife der zugrunde liegenden Infrastruktur steigt rtung und diese langfristig für die meisten Zielgruppen interessant sein werden. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass die klassischen Karten nach und nach komplett durch Contactless-Angebote ersetzt werden, die vergleichsweise noch mehr Komfort und schnelleren Service bieten.

Individuelle Konfiguration als neuer Trend

Abon-Sobald die neuen Mehrwertangebote den Markt erobert haben und die Anwender mit den entsprechenden Technologien vertraut sind, erwarten Branchenspezialisten darüber hinaus auch für den Kredit- und Debitkartenmarkt einen Trend, der aus anderen Bereichen bereits bekannt ist: die individuelle Konfiguration. Wie etwa beim Autokauf schon lange üblich, legt jeder Kunde dann auch für seine Kredit- und Debitkarten selbst einen Teil der Parameter fest, noch bevor diese produziert werden - von der Wunsch-PIN über verschiedene Sicherheitseinstellungen bis hin zu den passenden Bonusprogrammen. Im Gegensatz zu den Autoherstellern beeinflusst die individuelle Konfiguration nur gering, wenn überhaupt, die Kartengebühren, da die Kartenanbieter ihren Umsatz hauptsächlich durch die wachsende Anzahl der Transaktionen generieren.

Eine der wichtigsten Grundlagen für den Erfolg solch maßgeschneiderter Mehrwertservices ist die nahtlose Umsetzung sowohl auf der Issuer- wie auch auf der Acquirer-Seite. Die kartenherausgebende Bank stellt die wichtigste Schnittstelle zum Karteninhaber dar: Sie verfügt über Kontakte und kann ihre Zielgruppen direkt über die Möglichkeiten der neuen Kartensysteme informieren - und gleichzeitig genau hinhören, um die sich stetig ändernden Wünsche und Bedürfnisse zu erfassen. Die Acquirer ihrerseits haben die enge Beziehung zu den Händlern und können deren Anforderungen am besten erfassen und ihnen gerecht werden. Nur gemeinsam können Issuer und Acquirer optimal auf die Wünsche ihrer Kunden eingehen. Eine enge Kooperation ist speziell dann gefordert, wenn neue Technologien wie kontaktlose Zahlungsmittel eingeführt werden.

Bei aller Rücksichtnahme auf die individuellen Wünsche der Kunden sollten Banken allerdings nicht übersehen, dass mit steigender Individualität auch die Komplexität der Prozesse und Strukturen im Kartengeschäft zunimmt. Flexible und leistungsfähige Technologien bilden die notwendige Basis, um vor diesem Hintergrund jederzeit handlungsfähig zu bleiben. So ermöglichen beispielsweise modulare Lösungen die flexible Anbindung von Issuern über eine einzige Plattform und stellen dadurch die reibungslose Abwicklung der Transaktionen sicher. Möchte sich eine Bank ganz auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, ist sogar das Outsourcing der gesamten Prozessabwicklung möglich.

Die treibende Kraft hinter den Entwicklungen im Kartenmarkt werden mehr denn je die Kunden sein. Ihre individuellen Ansprüche und Bedürfnisse bleiben auch in Zukunft nicht vollständig vorhersehbar. Durch eine sorgfältige Vorbereitung können Issuer, Acquirer und ihre Partner dem jedoch gelassen entgegen sehen.

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