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"Wir müssen auch in Westeuropa präsent sein"

Im Juli hat Concardis seinen fünften Geburtstag gefeiert. Wie hat sich das Unternehmen in dieser Zeit entwickelt? Das Unternehmen hat sich deutlich positiver entwickelt, als man es vor fünf Jahren absehen konnte. Wir laufen deutlich vor unseren Planungen. Natürlich war in der Phase nach der Abspaltung von Euro Kartensysteme zunächst einmal ein Umdenken erforderlich, von einem Dienstleister für die Kreditwirtschaft hin zu einem gewinnorientierten Unternehmen. Auch in technischer Hinsicht gab es Verbesserungsbedarf. Hier haben wir gemeinsam mit SAP ein neues Kundenmanagementsystem eingeführt. Ferner haben wir ein sehr strukturiertes Produkt- und Prozessmanagement aufgebaut. Das läuft so gut, dass wir zeitnah und häufig vor den Wettbewerbern mit Produktinnovationen am Markt sind, auch wenn man manchmal die eine oder andere Idee wieder aufgeben muss. Zum Beispiel das Kundenbindungssystem "in touch"? Ja. Unter diesem Namen wollten wir ein eigenes Bonusprogramm für mittelständische Kunden aufziehen. Nach den ersten drei bis vier Monaten mussten wir jedoch feststellen, dass sich ein Gemeinschaftsgedanke, wie es ihn etwa in innerstädtischen Einkaufszonen gibt, unter mittelständischen Händlern nur sehr schwer herbeiführen lässt. Also haben wir das Konzept wieder aufgegeben. Und im Nachhinein sind wir darüber nicht unglücklich, da sich Payback und Happy Digits so erfolgreich durchgesetzt haben, dass man mit einem kleineren Programm wahrscheinlich schwer hätte mithalten können. Wie ist Concardis heute im Wettbewerb positioniert? Und wo wollen Sie in fünf Jahren stehen? Im Inland können wir stolz sagen: Wir sind Marktführer. Diese Position werden wir in den nächsten drei bis fünf Jahren sicher halten können. Im Ausland können wir uns mit Standorten in der Schweiz und Österreich sicher noch nicht als europaweit aufgestellter Anbieter bezeichnen. Hier werden wir uns deutlich erweitern. Wie stellt sich der Preisdruck im Acquiring-Markt heute dar? Ich wage die Prognose: Der Margenverfall wird in naher Zukunft nicht mehr so stark sein, wie er in den letzten Jahren war. Im Gespräch mit den großen Kunden lässt sich inzwischen deutlich ein Verständnis dafür erkennen, dass die Preise nicht beliebig weiter gesenkt werden können, will man die Qualität einer reibungslosen Dienstleistung nicht gefährden. Hinzu kommt: Inzwischen hat man im Handel - insbesondere bei den Lebensmitteldiscountern - erkannt, dass neben dem Preis auch die Schnelligkeit eine Rolle spielt. Deshalb glaube ich auch an den Erfolg kontaktloser Zahlungsver fahren. Registrieren Sie seitens Ihrer Kunden bereits Interesse am kontaktlosen Zahlen? Ich denke, dafür muss man noch etwas mehr demonstrieren können, dass das Verfahren funktioniert. Außerdem brauchen wir noch die eine oder andere technische Verbesserungsmöglichkeit. Bei Kleinbetragszahlungen ist es nicht besonders sinnvoll, jeweils drei oder vier Euro auf der Kreditkartenabrechnung zu buchen. Hier wäre zu überlegen, ob man die Umsätze nicht ein wenig aggregieren könnte und beispielsweise erst ab einem Betrag von 20 Euro bucht. Das würde die Zahlung vereinfachen und sie kostengünstiger machen. Den Margenverfall kompensieren Sie zum großen Teil durch neue Produkte. Welche Leistung ist hier am meisten gefragt? Sehr gut läuft die Dynamic Currency Conversion, die von den Mitbewerbern zuerst als nicht so bedeutend eingeschätzt wur de. Unser Auslandsumsatzanteil liegt bei 20 Prozent. Sobald jeder zweite Nicht-Euro-Kunde in seiner Heimatwährung zahlt, lohnt sich das für uns. Andere Themen sind komplexer. Dazu gehört zum Beispiel das Transaktionsmanagement, bei dem es darum geht, für mittelständische Händler die einzelnen Transaktionsumsätze zusammenzuführen. Welches Potenzial sehen Sie noch für die Ausweitung des Akzeptanzstellennetzes? Eine Million Debitkartenterminals und etwa 500 000 Akzeptanzstellen für Kreditkarten in den nächsten fünf Jahren halte ich für eine realistische Zahl. Wir müssen den Sprung in die Bereiche Möbel und Unterhaltungselektronik schaffen und auch im Lebensmittelbereich die Kreditkartenakzeptanz noch weiter vorantreiben. Das würde einen deutlichen Schub bedeuten. Warum ist der Durchbruch beim Möbel- und Elektronikfachhandel so schwer zu erreichen? Disagien um zwei Prozent sind den Unternehmen schlicht zu teuer. Eine Botschaft aus Möbel- und Elektronikhandel lautet: Sobald Kreditkartenzahlungen nur rund ein Prozent kosten, wäre man für die Kreditkartenakzeptanz offen. Bräuchte man dann nicht auch für diese Branchen eine eigene, niedrigere Interchange? Ja. Mastercard hat auch gerade entschieden, im Elektronik-Bereich eine Sonder-Interchange zu pilotieren. Was heißt die Interchange-Entwicklung bei Mastercard aus Acquirer-Sicht? Oberflächlich betrachtet könnte uns dies gleichgültig lassen, da wir die Interchange lediglich weiterreichen. Von den niedrigeren Sätzen, die sich aus einem Wegfall ergeben, sind wir insofern nicht unmittelbar betroffen. Sollten die Banken die Ausgabe von Kreditkarten dramatisch reduzieren, würde uns das aber auch treffen. Meiner Einschätzung nach wird weiter gepokert werden, wobei es aufgrund der starren Haltung von Euro Commerce sehr schwierig sein wird, zu einer Einigung zu kommen. Letztlich wird es eine Inter change geben, aber auf einem Niveau, das das bisherige Durchschnittslevel deutlich unterschreitet. Daraus ergäben sich neue Chancen, Akzeptanzpartner anzuschließen. Und wenn man neue Branchen erschließt, steigt wiederum der Kreditkartenumsatz, was den Issuern einen Ausgleich liefern kann. Welche neuen Branchen sehen Sie? Im großen Bereich sehe ich nicht mehr viele Möglichkeiten. Im kleineren Segment gibt es jedoch noch Chancen zum Beispiel bei Ärzten, Behörden oder Pizzaservices. Das ist wahrscheinlich ein Prozess von vier bis fünf Jahren. Auch hier gilt das Disagio-Argument. Braucht ein Acquirer einen eigenen Netzbetrieb, um an die kleinen Händler heranzukommen? Wichtig ist eine möglichst große Kundendatei. Gemeinsam mit easycash und Telecash als "Preferred Partner" können wir Akquisitionskampagnen starten. Noch wichtiger sind solche Kooperationen jedoch unter dem Aspekt von Service und Kundenbindung. Welche Erfahrungen haben Sie im E-Commerce? Weil wir große Kunden haben, die mehrere Vertriebswege nutzen, laufen mittlerweile fast zwölf Prozent unseres Geschäfts über den E-Commerce, obwohl wir dafür nicht nennenswert die Werbetrommel gerührt haben. Dabei hatten wir noch nie größere Schäden aus dem Internet-Geschäft. Manchmal schadet es eben nicht, einmal nicht der Erste am Markt gewesen zu sein. Zudem sind die Risiko-Abwehrmethoden im E-Commerce deutlich effektiver geworden, als es in der Vergangenheit der Fall war. Unser Prozessor First Data ist gerade dabei, ein neues Online-Real-Time-Präventionssystem aufzusetzen. Generell haben wir uns vorgenommen, das E-Commerce-Geschäft weiter auszubauen. Unsere Potenzialliste von Kunden, die mit uns im klassischen Geschäft zusammenarbeiten und mittlerweile auch Internetangebote haben, ist beachtlich. Was heißt Sepa aus Acquirer-Sicht? Wir bekommen erstmalig die Chance, grenzüberschreitend in etwa so agieren zu können wie im Heimatmarkt. Bisher ist es trotz Sepa-Lizenz gar nicht so einfach, im Nachbarland Geschäft aufzubauen. Das wird im Zuge der Umsetzung der Payments Service Directive in nationales Recht, die bis Ende 2009 erfolgen soll, anders werden. Das ist ein ganz wichtiger Schritt für einen europaweiten Antritt. Ab 2011 sollte man hier entsprechend starten können. Der ursprüngliche Ansatz der Kommis sion, dass auch ganz kleine Dienstleister als Payment Institution quer durch Europa Geschäfte aufbauen können, wird sich nach ersten Entwürfen aus dem Finanz- und Justizministerium wohl nicht realisieren lassen. Denn auch diese Pay-ment-Institutionen werden der BaFin-Aufsicht unterstellt werden und müssen Meldepflichten erfüllen. Die Vielzahl kleiner Wettbewerber sehe ich insofern nicht. Wie stark spüren Sie schon jetzt ausländische Wettbewerber? Europaweit tätige Anbieter wie die Royal Bank of Scotland spüren wir natürlich wenn auch noch nicht in dem Ausmaß, wie man es in einem Worst-Case-Szenario befürchten müsste. Zwar ist es für solche Anbieter vergleichsweise leicht möglich, große Kunden zu gewinnen. Beim mittleren Segment, das für die eigene Erfolgsrechnung ebenso nötig ist, sieht dies jedoch anders aus. Hier sind die Ausländer noch nicht so präsent. Welche Erfahrungen hat Concardis im Ausland gemacht? Im Wesentlichen positive. Der Weg, große Kunden von hier aus grenzüberschreitend zu bedienen, hat sich bewährt - zumal man so über Mund-zu-Mund-Propaganda auch weitere große Kunden gewinnt. Eine zweite wesentliche Erfahrung lautet: Obwohl auch in der Schweiz und Österreich deutsch gesprochen wird, kann ein mittelständischer Kunde im Wesentlichen nur von Einheimischen von der Akzeptanz überzeugt werden. Den Vertrieb mit eigenen Mitarbeitern aus Deutschland zu or ganisieren, ist im kleinen und mittelständischen Segment wenig Erfolg versprechend. Wie sehen Ihre weiteren Auslandspläne aus? Wenn wir uns in Österreich etabliert haben, wollen wir von dort aus einige osteuropäische Länder in den Blick nehmen. Dort müssen wir Debit und Kredit anbieten. Unsere Intention ist es aber nicht, in Osteuropa eine eigene Debitschiene aufzubauen. Dafür suchen wir einen Netzbetreiber als Partner. Auf mittlere und längere Sicht müssen wir aber auch in Westeuropa präsent sein. Denn wir haben immer gesagt: Auf lange Sicht wollen wir zu den Top-5-Acquirern in Europa gehören. Und dazu genügt es nicht, nur in den Nachbarländern und in Osteuropa präsent zu sein. Sondern hier zu braucht man auch Geschäftsaktivitäten in den Benelux-Ländern, Frankreich und Spanien. Dafür benötigen wir allerdings zunächst einen Konsens in unserem Gesellschafterkreis. Denn um in Westeuropa präsent zu sein, müssen wir mit Sicherheit inves tieren. Dabei stellt sich in größeren westeuropäischen Märkten wahrscheinlich weniger die Frage nach dem Aufbau von Geschäft, sondern eher nach Akquisi tionen.

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