Leitartikel

"Man reiche mir Luxus"

KO - "Man reiche mir Luxus", hat ein Weltliterat seinen Helden
bekanntlich ausrufen lassen, "Man reiche mir Luxus - auf alles
Gewöhnliche kann ich verzichten!" So menschlich-verständlich für jeden
einigermaßen zivilisierten Zeitgenossen ist dieses Verlangen, dass die
Kartenindustrie darauf eigentlich "von Anfang an" ihre Marktstrategie
gründete. American Express zum Beispiel, einst unbestrittener
Marktführer im freilich noch rudimentären deutschen Kreditkartenmarkt,
hat in den sechziger Jahren vor allem mit der Exklusivität der eigenen
Kartenleistung die Differenzierung zum Massenmarkt der Scheck- und
Zahlkarten zu wahren gesucht: Die Kreditkarte als Statussymbol für die
Oberen Zehntausend und ihre besonderen Gelüste.
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Bedauerlicherweise erscheint der Bedarf für die Erfüllung gehobener
Ansprüche allerdings oft durch eine gewisse materielle Begrenztheit
eingeschränkt. Der gewöhnliche Konsument, auch in der Bundesrepublik,
empfand das Produkt "Karte" sehr schnell auch für den eiligen Alltag
als schlichtweg praktisch - wenn die ganze Sache denn möglichst billig
und möglichst simpel gehandhabt werden konnte. Der überwältigende
Erfolg von Mastercard und Visa als ausgesprochenen Massenkarten beruht
unverkennbar auf "Nicht-Exklusivität". Die besten Kunden eben deswegen
zu Diners und Amex abwandern zu lassen, das wollten die
Massenstrategen dann aber freiwillig auch nicht.
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Das Ergebnis kennen wir. Silber, Gold, Platin, Diamant und was sich
sonst noch als schmückend-wertvoll apostrophieren lässt, gehört heute
bei allen Kartengesellschaften zum Sortiment.
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Luxusmarken im Luxusmarkt bedürfen aber selbstverständlich sehr
gewissenhafter Betreuung. American Express hat deshalb jüngst den
"21st Centurian Living" Report publizieren lassen. Wer gehobenes
Retail betreibt, darf zum Beispiel lernen:
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1. Das (Luxus-)Produkt allein genügt nicht mehr, es muss unbedingt ein
Schlüssel zu luxuriösen Erlebnissen sein. Dass dafür emotionale
Wertungen wichtig sind, liegt zielgruppennah. 2.Der (Luxus-)Konsument
des 21. Jahrhunderts will keineswegs das Teuerste, sondern er will das
Beste. Das erscheint dem Chronisten als nicht ganz einfach, weil vom
Penthouse bis zu den Pelzen und den Brillis doch sehr viel Mühe und
Marketing darauf verwendet wird, den hohen Preis als gängigsten
Ausdruck für hohe Qualität zu machen - der Höchstpreis als eigene
Marke. 3.Die sehr Reichen, so sagt der Report, pflegen zunehmend ein
besonderes Wertbewusstsein. Das Luxusprodukt muss also versuchen, in
dieser Werteskala einen möglichst hohen Platz zu erreichen. 4.Auch der
Luxus-Mensch trachtet danach (das passt zum Vorherigen), ein
anständiges Gemeindemitglied zu sein. Das heißt zum Beispiel: Er will
luxuriös leben, ohne als Umweltschädling aufzufallen. Luxusmarken
müssen deshalb auf ein gutes Gewissen bei ihrer Klientel zielen.
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Für 2005 werden die "wohlhabenden Personen" (mindestens 447 000 Dollar
Liquidität) in Europa auf 4,4 Millionen geschätzt, die
"Besserverdienenden" (ab 68 000 Dollar) auf 34 Millionen. Der
Wohlstand wächst, die Vermögen nehmen zu, werden allgemeiner. Das hat
laut Marktforschung eine typische Verhaltensweise zu Folge: Während
nämlich in den Entwicklungs- und Transformationsländern der
Showeffekt, das Prahlen der Neureichen mit Luxusbesitz die Luxusmärkte
öffnet, geht die Tendenz fortgeschrittene Gesellschaften in Richtung
"Stiller Reichtum". "In the luxury market there has been a shift
forwards products that is not loud, does not look like money and is
not identified with money" - wird der Designer Thomas Maier zitiert.
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Sollte man Millionären also nicht besser nur noch mausgraue Karten
geben?

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