Kartenmarkt Österreich

"Das Integrationsprojekt soll im Laufe von 2014 abgeschlossen werden" - Ewald Judt im Gespräch mit Roger Niederer

Was waren die Gründe für die Übernahme der Pay-Life Bank durch die Six Group?

Das Ziel von Six ist es, mittelfristig ein großer zentraleuropäischer Player zu sein. Dabei steht die Internationalisierung im Vordergrund: Zusätzliches Wachstum kann Six - wegen der starken Marktpräsenz in der Schweiz - vor allem im Ausland erreichen. Der Erwerb von Pay-Life ist somit ein wesentlicher Bestandteil der europäischen Wachstumsstrategie des Geschäftsbereichs Payment Services. Mit der hundertprozentigen Übernahme der Pay-Life Bank erwirbt Six den größten österreichischen Acquirer sowie den Marktführer im Kreditkarten-Issuing.

Kann Six mit dieser Geschäftsausweitung - nach der Präsenz in Luxemburg und nunmehr in Österreich - bereits als European Player betrachtet werden?

Ja, denn Six war mit Payment Services bereits in 13 Ländern in Europa vertreten. Dann ist Luxemburg hinzugekommen. Und jetzt bekommt das Unternehmen durch den Erwerb von Pay-Life Zugang zum österreichischen Markt und zu weiteren interessanten Auslandsmärkten wie etwa Slowenien oder Kroatien. Zudem bietet Wien als EU-Standort und aufgrund seiner Nähe zu Zentral- und Osteuropa viele Vorteile.

Von Six wurde eine gemäß den Bedürfnissen eines Standalone-Unternehmens strukturierte Pay-Life Bank übernommen, die allerdings bereits seit 2010 das Acquiring-Processing von Six durchführen lässt. Wie gedenken Sie diese doch unterschiedlichen Kulturen und Strukturen unter einen Hut zu bringen? Wann wollen Sie diesen Migrationsprozess der Kulturen und Strukturen abgeschlossen haben?

Von dem Zusammenschluss profitieren beide Seiten - sowohl was das Produktangebot als auch was die Technologie betrifft. Man kennt sich bereits seit 2009 als Technologie- und Processingpartner und kann nun noch näher zusammenrücken. Von diesem gebündelten Know-how profitieren natürlich auch die Kunden, da das gemeinsame Leistungsangebot noch größer wird.

Mit Kultur und Struktur hängt auch der Unternehmensname zusammen. Wird der in Österreich etablierte Name Pay-Life bleiben?

Pay-Life ist eine starke österreichische Marke und Six eine wachsende europäische Marke. Viele Aspekte spielen in diesem Bereich mit, Überlegungen wie hier weiter vorzugehen sein wird, sind Teil des derzeit laufenden Integrationsprojekts.

Wie sehen Sie den Kartenmarkt in Österreich zwischen Wettbewerb und Regulierung?

Geplante Regulierungen werden dazu führen, dass sich der Wettbewerb weiter verschärfen wird. Um im hart umkämpften Umfeld bestehen zu können, wird es daher immer wichtiger, sich durch spezielle Services und Dienstleistungen hervorzuheben und sich breit aufzustellen. Darin liegt unser Hauptaugenmerk für die Zukunft.

Allgemein und ganz besonders im Acquiring gilt im Kartengeschäft: Online-Transaktionen nehmen im Verhältnis zu PoS-Transaktionen zu. Wie ist das Verhältnis PoS zu Online bei Pay-Life heute? Wie sehen Sie im Acquiring die weitere Entwicklung in der realen Welt (PoS-Shopping) einerseits und in der virtuellen Welt (Online-Shopping) andererseits?

Bereits derzeit ist der Verhältnis PoS- Shopping zu Online-Shopping 7:1. Und das wird sich weiter zugunsten des Online- Shopping verändern. In Zukunft wird es für Händler immer wichtiger, neben dem Vor-Ort-Geschäft auch im Online-Handel aktiv zu werden. Die Online-Shops mit den größten Umsätzen sind außerhalb Österreichs zu finden - hier wird viel Geld "verschenkt".

Multichanneling wird mehr an Bedeutung gewinnen, denn Kunden wollen ein umfassendes Einkaufserlebnis, zu jeder Zeit und an jedem Ort. Stationäre Händler werden professionelle Multichannel-Konzepte benötigen, wenn sie auf Dauer konkurrenzfähig bleiben wollen.

Pay-Life ist für alle Kanäle gut gerüstet, wie man es an den 87 000 realen und virtuellen Akzeptanz sehen kann.

Wird die Vertragspartnerakquisition und -betreuung vor Ort auch künftig von Österreich aus gemanagt? Wird die Form des Kontakts mit aktiven und potenziellen Kunden beibehalten - Großkunden zentral durch Key Account Manager und kleine und mittlere Unternehmen dezentral durch selbstständige Akquisiteure/ Betreuer?

Die Nähe zum Kunden ist bei Six gelebte Realität. Six hatte bislang keinen Flächenvertrieb in Österreich, mit Pay-Life stößt nun eine starke, flächendeckende Vertriebsmannschaft zum Unternehmen. Damit können wir nun auch unseren internationalen Kunden mit Standorten in Österreich entsprechen. Die Struktur der Vernetzung mit dem Schweizer Vertriebsteam wird im Zuge des derzeit laufenden Integrationsprojekts erarbeitet.

Wird der Händlerservice (Händlerkontakte, Umsatzbezahlung, Bearbeitung von Händleranfragen und -reklamationen, Autorisierungen) auch künftig von Österreich aus erledigt?

In die Betrachtungen des Integrationsprojektes, das im Laufe des Jahres 2014 abgeschlossen sein wird, wird die Leistungserbringung in Wien und an allen Six-Standorten mit einbezogen, wobei Faktoren wie Kundennähe und konstant hohe Servicequalität einen wesentlichen Stellenwert haben. Die sich daraus ergebenden Synergien können zur Bündelung der Leistungserbringung beziehungsweise zur Bildung von Kompetenzzentren an einzelnen Standorten führen.

Als EU-Standort und aufgrund seiner Nähe zu Zentral- und Osteuropa bietet Wien Vorteile, die besonders zu berücksichtigen sind. Gleiches gilt für die Funktionen, welche die Pay-Life Service GmbH derzeit ausübt - Terminalweiterentwicklung und -abnahme; 1st- und 2nd-Level Support der Terminals und dem PSP-Produkt Pay-Unity.

Wie sehen Sie den Markt für das PSP-Produkt Pay-Unity?

Die Analyse der Dienstleistungspalette ist Teil des Integrationsprojektes. Dabei werden auch die Marktchancen bestehender und künftiger Pay-Unity-Produkte betrachtet.

Wie schaut die Rentabilität im Acquiring aus? Wird sich die produktorientierte Erlösformel "Interchange Plus" oder eine Pauschalkondition für alle Akzeptanzprodukte durchsetzen?

In diesem Bereich gibt es viele Überlegungen. Priorität hat vor allem, auch in Zukunft unseren Kunden und Partnern höchste Qualität und besten Service bieten zu können. Das anzuwendende Konditionsmodell hängt auch stark von den Bedürfnissen des jeweiligen Marktes und den Anforderungen der Kunden ab.

Pay-Life ist auch in mehreren Ländern im Acquiring tätig. Wie viele Transaktionen gab es hier 2013?

Pay-Life ist derzeit in zwölf Ländern im Acquiring tätig: Österreich, Deutschland, Italien, Kroatien, Liechtenstein, Polen, Rumänien, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn. Dabei wurden 2013 310 Millionen Transaktionen mit 15,7 Milliarden Euro Umsatz generiert.

Wie werden Sie beim Auslandsacquiring, wo sowohl Pay-Life als auch Six tätig sind, die Migration umsetzen?

Die Analyse ist Teil des Integrationsprojekts, hier können sich verschiedene Szenarien ergeben.

Welche Rolle werden in Zukunft in einem "Single European Acquiring Market" nationale Player spielen? Welche Rolle wird europaweit aktiven Acquirern zukommen?

Viele große internationale Kunden suchen vermehrt für die Zahlungsabwicklung in Europa einen europaweit tätigen Acquirer, was den Zugang zu solchen Kunden für rein lokal tätige Acquirer erschwert.

Daneben ist das Kartenbusiness ein Skalengeschäft mit einem hohen Fixkostenanteil. Dies bedeutet, dass stetiges Wachstum unumgänglich ist. Dies ist für lokale Acquirer, die nur auf ihren Heimmärkten tätig sind, entsprechend begrenzt.

Wie sehen Sie die Rolle von (Voll-)Banken im europäischen Acquiring-Markt vice versa speziellen Acquiring-Institutionen?

Die Konzentration bei speziellen Acquiring-Instituten liegt in der Natur der Sache vollumfänglich auf diesem Kerngeschäft. Somit ist die Organisation ausnahmslos auf die Leistungserbringung für dieses Segment ausgerichtet.

Nun zum Issuing. Pay-Life ist ein großer Kreditkarten-Issuer, wo Karten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung ausgegeben werden, und ein großer Kreditkarten-Issuing-Supporter, wo ein Gutteil der Issuing-Tätigkeit im Namen und auf Rechnung der Issuer (Banken) ausgeführt wird. Wird Pay-Life auf diesen Gebieten weiterhin aktiv sein?

Six gliedert mit Pay-Life Österreichs größten Player mit über einer Million Karten im Kreditkartengeschäft ein. Damit bietet sich Six die Möglichkeit, ins B2C-Issuing einzusteigen.

Wie sehen Sie angesichts des zunehmenden Wettbewerbs das Kreditkarten-Issuing von Pay-Life in der Zukunft? Premium Cards? Mass Cards? Co-Branded Cards?

In Zukunft wird es noch wichtiger werden, Karteninhabern etwas Besonderes zu bieten - darum wurde zum Beispiel auch die Pay-Life Black als Premium-Produkt entwickelt oder beim Kartenportfolio der Versicherungsschutz ausgeweitet.

Und wie sehen Sie die Zukunft des Kreditkarten-Issuing-Supports durch Pay-Life? Nur für Banken? Auch für Händler via Sponsored License?

Der Zusammenschluss Six und Pay-Life bringt in diesem Geschäftsfeld neue Möglichkeiten, da wir nun unseren Kunden, seien dies in diesem Segment primär Banken oder auch Händler, Leistungen aus der gesamten Wertschöpfungskette anbieten können. Dies kann modulartig auf die Bedürfnisse unserer Kunden zugeschnitten werden.

Wie schaut die Rentabilität im Issuing derzeit aus? Welche Auswirkungen auf das Issuing erwarten Sie in der Zukunft von sich ändernden (sprich niedrigeren) Interchange Fees? Wie kann dieser zu erwartende Erlösrückgang kompensiert werden? Preiserhöhungen? Kostensenkungen? Kostenpflichtige Zusatzleistungen?

Bei uns dreht sich alles ums Kartengeschäft - im Gegensatz zu (Voll-)Banken haben wir nur diesen einen Geschäftsbereich und sind somit einem hohen Kostendruck ausgesetzt. Die laufenden Entwicklungen werden von uns ständig beobachtet und mögliche Konsequenzen aus Veränderungen werden wir genau analysieren.

Pay-Life ist - auch international - für seine Prepaid-Produkte mit Debit- oder Credit-Brands bekannt. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung dieser vor allem in Kooperation mit Shoppingcentern betriebenen Lösungen?

Derzeit gibt es bereits 20 Shoppingcenter in fünf europäischen Ländern, die auf Pay-Life Gutscheinkarten setzen. Da bereits mehr als die Hälfte aller Geschenke in Form von Gutscheinen verschenkt werden, bauen mehr und mehr Shoppingcenter-Betreiber auf die innovative Form des Gutscheins. Dieser Trend wird sich auch in Zukunft weiter fortsetzen.

Und Pay-Life ist auch bekannt dafür, dass es in Österreich im Gegensatz zu anderen Ländern mit "Quick" eine etablierte Elektronische Geldbörse gibt. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung dieses Produkts - im Six-Stammland wurde ja die schweizerische Elektronische Geldbörse "Cash" eingestellt?

Im Gegensatz zu "Cash" in der Schweiz wird Quick in Österreich sehr gut angenommen. Der Vorteil in Österreich ist auch, dass die Quick-Funktion auf allen österreichischen Bankomatkarten vorhanden ist. Somit ist Quick das am weitesten verbreitete bargeldlose Zahlungsmittel in Österreich.

Vor allem im geschlossenen Bereich, etwa bei Kantinen und in Schulen, bei Automaten oder im Convenience-Bereich erfreut sich Quick großer Beliebtheit. Derzeit wird rund zwei Millionen Mal pro Monat "gequickt", seit Anfang des Jahres 2013 wurde auch bereits über eine Million Mal mit Quick kontaktlos bezahlt.

Welchen Status haben kontaktlose Zahlungen in Österreich und welche künftige Entwicklung sehen Sie hier? Welche Anzahl von Karten und anderen Tools sehen Sie Ende 2013 und fünf Jahre später issuingseitig, und welche Anzahl von Kontaktlos-Terminals acquiringseitig Ende 2013 und fünf Jahre später?

Bei Pay-Life bieten wir bereits jetzt drei Kartenprodukte (Pay-Life Black und Mastercard Red und Quick) an, die mit Kontaktlosfunktion ausgestattet sind. Des Weiteren bieten wir eine umfassende Kontaktlos-Zahlungspalette für die Gastronomie, den Handel und den Dienstleistungsbereich an. Das kontaktlose Bezahlen wird sich mittelfristig für alle Zahlungsprodukte etablieren.
Sehen Sie bei Mobile Payments die Gefahr von proprietären Lösungen der Telekoms? Sehen Sie die Gefahr, dass die Telekoms Mobile Payments mit etablierten Brands auf ihren Handys zulasten der Kartenplayer einführen und auch ins Acquiring einsteigen?

Gemeinsam mit anderen führenden österreichischen Unternehmen aus dem Banken-, Kreditkarten-, Kartenpersonalisierungs-, Informations- und Kommunikationstechnologie-Bereich haben wir im Herbst die sogenannte "Mobile Wallet Initiative Austria" ins Leben gerufen, um einen offenen, österreichweiten Standard einer mobilen Brieftasche zu entwickeln. Mit dieser mobilen Brieftasche können Endkunden nicht nur mit dem Handy kontaktlos bezahlen, sondern auch Zusatzangebote wie Kundenkarten, Gutscheine und Coupons durch einfaches Berühren an Kassen nutzen.

Durch diese Initiative werden technische Insellösungen vermieden und branchenübergreifende Akzeptanz sowie Kundenzufriedenheit in den Mittelpunkt gestellt. Mit diesem Projekt soll Österreich innerhalb der nächsten Monate zu einem Vorzeigeland für den Einsatz von Mobile Payment und Mobile Loyalty unter Einsatz von NFC, der Near Field Communication, werden.

Wird sich die Entmaterialisierung des Geldes - Weg vom Barzahlen, hin zum bargeldlosen Zahlen - fortsetzen? Werden eines Tages Ihrer Meinung nach elektronische Zahlungen das Bargeld ersetzt haben? Wenn ja, wann wird das der Fall sein?

Bargeldloses Bezahlen wird in Zukunft weiterhin an Beliebtheit gewinnen und sich auch im Kleinbetragsbereich durchsetzen (vor allem wegen der Kontaktlostechnologie). Dass Karten das Bargeld ablösen, werde ich persönlich aber nicht mehr erleben.

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