Die Vorteile herstellernaher Finanzierungsmodelle

Finanzkompetenz plus Branchenkenntnis

Abbildung 1: Produktportfolio unterstützt den Absatz von Siemens entlang der Wertschöpfungskette Quelle: SFS

Martin Stange - Herstellernahe Finanzierungsdienstleister können finanzielle Expertise mit Industrie- und Kundennähe verbinden und sind so in der Lage, innovative Finanzierungsmodelle entlang der gesamten Wertschöpfungskette passend zu den Anforderungen des jeweiligen Marktes zu entwickeln und anzubieten. Dies führt nicht nur zu individuellen, bedarfsgerechten und liquiditätsschonenden Lösungen, sondern außerdem zu einer höheren Unabhängigkeit von Bankkrediten. Vor allem sogenannte KMU wissen eine Rundum-Betreuung und Diversifizierung ihrer Finanzierungsstrategie zunehmend zu schätzen.

Angesichts des steigenden Kosten- und Effizienzdrucks im globalen Wettbewerb sind Unternehmen aus allen Branchen heute kontinuierlich auf der Suche nach Optimierungspotenzial. Das gilt sowohl für Anlagen, Maschinen oder IT, als auch für deren Finanzierung. Finanzmanager beziehen die Gesamtbetriebskosten Total Cost of Ownership (TCO) von Anlagen und Systemen heute deutlich stärker in ihre Investitionsentscheidungen ein als noch vor wenigen Jahren. Das zeigen Analysen der Financial Services Division von Siemens (SFS). Neben Aspekten wie Wartung, Reparatur oder Schulung berücksichtigen die Finanzentscheider dabei zunehmend Faktoren wie langfristige Energieeinsparungen oder Auswirkungen auf die Liquidität.

Mehrwert schaffen

Entsprechend gefragt sind flexible Finanzierungsmodelle. Innovative Lösungen wie Energiespar-Contracting oder Retrofit bieten nicht nur die Möglichkeit, Zahlungen oder Vertragslaufzeiten projektspezifisch an die Bedürfnisse der Kunden anzupassen, sondern beinhalten Leistungen und Garantien, die weit über die eigentliche Finanzierungsfunktion hinausgehen und technischen Mehrwert für den Kunden schaffen.

Produktivitätsgewinne durch Modernisierungen sowie Einsparungen, zum Beispiel beim Energieverbrauch, tragen dazu bei, die laufenden Finanzierungskosten von Ausbau- oder Modernisierungsmaßnahmen zu senken. Die verfügbaren Mittel lassen sich für andere Zwecke nutzen, insbesondere für Investitionen in langfristiges, nachhaltiges Wachstum. Dabei erkennen viele Unternehmen die Vorteile, wenn Anbieter solcher Finanzierungslösungen ihre Geschäftsmodelle und eingesetzten Technologien verstehen. Denn so können nicht nur mögliche Risiken präziser bewertet, sondern zugleich integrierte Modelle für Technologien und deren Finanzierung aus einer Hand entwickelt und angeboten werden. Diesen Mehrwert bietet die Financial Services Division von Siemens (SFS). Und das nicht nur für Produkte aus dem eigenen Konzern.

Als einst traditioneller Finanzierer für klassische Siemens-Technologien bietet der Finanzdienstleister heute eine breite Palette innovativer Finanzierungsprodukte und unterscheidet sich somit wesentlich von anderen Finanzierungspartnern und Banken. Sowohl für Lieferanten und Kunden von Siemens als auch für OEM (Original Equipment Manufacturer), Vendoren und Vertriebspartner des Konzerns werden passende Finanzierungsmodelle entlang der gesamten Wertschöpfungskette und für unterschiedlichsten Bedarf entwickelt. Die Produktpalette umfasst etwa die Finanzierung von Investitionsgütern wie Maschinen und Anlagen genauso wie Finanzierungsmodelle zur Reduzierung der laufenden Kosten durch modernste Gebäudetechnik, nutzungsabhängige Varianten im Bereich Healthcare oder Wareneinkaufskonzepte zur Optimierung des betrieblichen Umlaufvermögens (siehe Abbildung 1, Seite 263).

Fitnesskur für Maschinen

Deutlich wird dieser integrierte Ansatz zum Beispiel bei der Finanzierung von Modernisierungsmaßnahmen. Die Lebensdauer von technischer Ausstattung wie Maschinen oder Anlagen übersteigt die Abschreibungsfristen; vor diesem Problem stehen Unternehmen heute in allen Branchen. Man verwendet die Ausstattung weiter, obwohl sie in vielen Bereichen bereits technisch veraltet ist. Und oftmals gibt man einem bestehenden, funktionierenden System den Vorzug, anstatt in neue Anlagen zu investieren.

Modernisierte Maschinen und Anlagen auf Basis vorhandener Technologien und eingeführter Prozesse schonen die Liquidität und können daher die Capex (Capital Expenditure, englisch für Investitionsausgaben) im Vergleich zu Neuinvestitionen deutlich senken, die Leistungsfähigkeit erhöhen - und zudem in der Regel die Opex (Operational Expenditure, englisch für Betriebskosten) reduzieren. In einem durchschnittlichen Fertigungsunternehmen lassen sich durch eine Generalüberholung Produktivitätsgewinne von bis zu 25 Prozent erzielen (siehe Abbildung 2).

Bei der sogenannten Retrofit-Finanzierung rüstet man die bisherige Maschine oder Anlage zunächst im Rahmen einer technischen Generalüberholung mit neuer Technik aus. Bei einer Finanzierung durch eine Hersteller-Leasing-Gesellschaft erfolgt dies in der Regel durch den Hersteller selbst oder einen ausgewählten Partner. Anschließend bewertet der Finanzdienstleister die modernisierte Maschine und kauft sie aus dem Bestand des Kunden heraus, der sie dann seinerseits zurückmietet. Eine kundengerechte liquiditätsoptimierte Kalkulation der Raten, die sich an den erzielbaren Effizienzgewinnen orientiert, funktioniert nur im Schulterschluss mit einem branchenkundigen Technologiepartner, der die Retrofits selbst oder in enger Zusammenarbeit mit ausgewählten Maschinenbau-Spezialisten durchführt und deshalb das realisierbare Einsparpotenzial zuverlässig einschätzen kann.

"Überholung und Modernisierung sind vielfach wirtschaftlich interessante Alternativen zu Neuanschaffungen", sagt zum Beispiel Uwe Wenzel, Senior Vice President der Global Retool Group. Das deutsche Maschinenbauunternehmen gilt weltweit als Marktführer für Maschinenumbauten und überholt im Rahmen finanzierter Retrofits Anlagen und Maschinen der Kunden von Finanzdienstleistern.

Retrofit-Finanzierungen erschließen also ein erhebliches wirtschaftliches Potenzial, ohne Kapital zu binden und die Liquidität zu belasten. Die Kosten der Generalüberholung werden vielmehr schrittweise aus der erzielten Effizienzsteigerung beglichen.

Tausche Alt gegen Neu

Wo eine Generalüberholung nicht gewünscht oder technisch beziehungsweise betriebswirtschaftlich ungeeignet wäre, bietet sich das sogenannte Trade-in als Finanzierungsalternative für Neuanschaffungen an. Mit dieser Lösung erleichtert beispielsweise SFS Kunden den Wechsel zu aktueller Siemens-Technologie. Dabei prüfen und bewerten Experten das zu ersetzende Equipment. Der ermittelte Wert der Altgeräte fließt in die Kalkulation der Leasing-Raten für die neue Ausstattung ein.

Außerdem übernimmt Siemens sämtliche Dienstleistungen - angefangen vom Abbau und Abtransport der alten Ausrüstung, über die Käufersuche bis hin zur Inbetriebnahme der neuen Maschine oder Anlage. Bei der Wiedervermarktung der gebrauchten Ausrüstung (Remarketing) profitieren die Kunden vom Netzwerk und der Expertise eines internationalen Technologiekonzerns. Zugleich erhalten sie eine bequeme und verlässlich kalkulierbare Umstiegsmöglichkeit auf aktuelles, wettbewerbsfähiges Equipment.

Klimaschutz

Bei Neu- und Ersatzinvestitionen, Umbau- oder Modernisierungsmaßnahmen rückt angesichts steigender Energiepreise und politischer Debatten zum Klimawandel das Thema Energiesparen zunehmend ins unternehmerische Blickfeld. Energieeffizienz ist integraler Bestandteil der EU-Klima- und Energiepolitik. Die EU-Mitgliedsstaaten haben sich unter anderem darauf verständigt, bis 2020 die Energieeffizienz um 20 Prozent zu erhöhen. Die Bundesregierung arbeitet derzeit an der Umsetzung einer entsprechenden EU-Energieeffizienz-Richtlinie in nationale Gesetzgebung.

Einsparpotenzial gibt es in allen Branchen: Angefangen von der Energieerzeugung, wo beispielsweise moderne Gas- und Dampfturbinen mit hohen Wirkungsgraden für mehr Effizienz sorgen. Im Verkehrs- und Transportwesen, wo in Leichtbauweise gefertigte Fahrzeuge oder sparsame LEDs in Ampeln und Straßenbeleuchtungen den Energieverbrauch senken. Im Bereich der Gebäudetechnologie oder bei IT- und Kommunikationssystemen. Und natürlich in der Industrie, wo insbesondere der Austausch von Motoren und Antrieben erhebliches Einsparpotenzial birgt.

Derzeit laufen weltweit schätzungsweise rund 20 Millionen Industriemotoren (zum Beispiel Antriebe für Pumpen, Förderbänder, Mischer, Ventilatoren), auf die rund zwei Drittel des gesamten industriellen Stromverbrauchs entfallen. Unterstellt man eine durchschnittliche Lebensdauer von zehn Jahren bei jährlich 2 000 Betriebsstunden, entfallen bis zu 95 Prozent der TCO eines Industriemotors auf die Energiekosten. Deutsche Unternehmen könnten allein durch die Umrüstung auf drehzahlvariable Antriebe binnen fünf Jahren rund 6,5 Milliarden Euro an Stromkosten sparen. Weitere Einsparmöglichkeiten ergeben sich bei Heiz-, Kühl- und Belüftungssystemen, in der Prozessautomatisierung, durch intelligente Beleuchtungssysteme oder regenerative Energieerzeugung.

Vielen Unternehmen fällt es allerdings schwer, das Einsparpotenzial und damit den Return on Investment (ROI) von energetischen Maßnahmen im Vorfeld zuverlässig zu beziffern. Die Folge: Sie stellen ökologisch sinnvolle Investitionen in den Klima- und Umweltschutz zugunsten konkret kalkulierbarer produktiviätssteigernder Maßnahmen zurück. Häufig liegt das daran, dass passende innovative Finanzierungslösungen noch nicht hinreichend bekannt sind. Modelle wie Energiespar-Contracting für Gebäudetechnik oder Energy-Performance-Contracting für Maschinen schaffen durch fachkundig berechnete, zum Teil sogar vertraglich garantierte Einsparungen und durch fair verteilte Risiken eine verlässliche Kalkulationsgrundlage für die energetische Optimierung von Gebäuden oder von Antriebsapplikationen. Ökologisch wünschenswerte Maßnahmen lassen sich auf diesem Weg ökonomisch sinnvoll umsetzen.

Energy Performance Contracting

Als Pay-as-you-save-Lösung für Industriekunden erlaubt Energy-Performance-Contracting die liquiditätsschonende Optimierung von Antriebsapplikationen in der Industrie, finanziert durch Einsparungen bei den Energiekosten. Von den Einsparungen profitiert der Kunde zudem über das Ende der Vertragslaufzeit hinaus. Das Energy-Performance-Contracting reduziert das Risiko während der Projektentwicklung und die Kosten durch ein vierstufiges Vorgehen: Im ersten Schritt werden die Antriebsapplikationen der Anlage auf Basis vorhandener Daten eingeschätzt, was eine Reihe möglicher Optimierungen und damit verbundener Einsparungen eröffnet. Der zweite Schritt analysiert den aktuellen Energieverbrauch ineffizienter Antriebsapplikationen im Detail, um entsprechende Optimierungsmaßnahmen zu entwickeln. Beide Aspekte bilden die Grundlage für das Energy-Performance-Contracting. Stellt sich bei diesen Prüfungen heraus, dass die anvisierten Einsparungen nicht zu realisieren sind, kann der Kunde das Projekt an dieser Stelle kostenfrei beenden.

Im Regelfall werden die Optimierungsmaßnahmen jedoch im dritten Schritt im Rahmen eines Energy-Performance-Vertrags von Siemens umgesetzt und gegebenenfalls finanziert. Bei Abnahme des Projekts werden die Einsparungen gemessen und mit der Ausgangssituation verglichen: Werden die vereinbarten Ziele nicht erreicht, bietet Siemens eine pauschale Kompensation (Abbildung 3, Seite 264).

Die jeweilige Finanzierungsvariante beim Energy-Performance-Contracting lassen sich variabel an die Kundenbedürfnisse anpassen. Je nach Vertragsvariante und -gestaltung lässt sich das Modell bilanzneutral für den Kunden gestalten. Eigenkapitalquote und der Verschuldungsgrad bleiben unverändert, was sich wiederum positiv auf das Rating und die Kreditwürdigkeit auswirken kann. Typische Kunden sind mittelständische und große Industrieunternehmen mit Energiekosten ab etwa 100 000 Euro pro Jahr.

Kein Geld verheizen

Auch beim Energiespar-Contracting werden die erzielten Einsparungen zur Finanzierung der energetischen Optimierung genutzt. Zudem erhält der Kunde eine Garantie dafür, dass sich die berechneten Einsparungen tatsächlich in voller Höhe erzielen lassen. Generell handelt es sich hier um eine Kombination aus Beratung, Installationsleistung und Finanzierung, von der Industriebetriebe und öffentliche Auftraggeber profitieren können. Hierbei brauchen sie keine Erstinvestitionen zu tätigen, sondern begleichen ihre Raten mit den eingesparten Energiekosten. Dazu hat sich beispielsweise ein großer deutscher Automobilhersteller entschieden. Dank modernisierter Lüftungsanlagen in vier deutschen Werken spart das Unternehmen jährlich rund 5 500 Megawattstunden Strom.

Aber auch für öffentliche oder private Gebäudebetreiber, etwa Krankenhäuser, Schulen, Schwimmbäder oder Behörden, eignet sich diese liquiditätsschonende Finanzierungsvariante gut. Die Deutsche Energie-Agentur (Dena) schätzt, dass sich der Energieverbrauch im deutschen Gebäudebestand durch fachgerechtes Modernisieren um bis zu 80 Prozent reduzieren ließe. Davon können beispielsweise Kliniken profitieren, die zunehmend mit knappen Investitionsbudgets einerseits, steigenden Qualitäts- und Versorgungsansprüchen andererseits konfrontiert sind. Gleiches gilt für Kommunen oder öffentliche Einrichtungen.

Wie dies genau geht, zeigt das Beispiel des Universitätsklinikums Heidelberg. Durch den großflächigen Austausch von Beleuchtungssystemen und die energetische Sanierung der Haupt-Abluftanlagen spart die Klinik jährlich eine Strommenge im Wert von fast 200 000 Euro. Und dem Klinikum Bremerhaven-Reinkenheide, einem Maximalversorger mit 700 Planbetten, ist es gelungen, seinen Energiebedarf durch verschiedene Maßnahmen um mehr als ein Drittel zu reduzieren, ohne dafür Eigenkapital zu verbrauchen oder einen Kredit aufzunehmen (siehe Abbildung 4, Seite 264).

Finetrading

Spätestens seit der Finanzkrise erkennen insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zunehmend den Wert einer diversifizierten Finanzierung. Denn sie reduziert die Abhängigkeit von einzelnen Geldinstituten und verbessert die Verhandlungsposition bei der Neuvergabe oder Verlängerung von bestehenden Finanzierungen. Als Beispiel dafür dient die Wareneinkaufsfinanzierung über die Verlängerung von Zahlungszielen, das sogenannte Finetrading (siehe Abbildung 5).

Finetrading ergänzt die traditionelle Kontokorrentlinie und verschafft Siemens-Kunden zusätzlichen finanziellen Spielraum im Bereich der Wareneinkaufsfinanzierung: Mit diesem Instrument können Unternehmen die Zeit zwischen der Bezahlung der gekauften Ware bis zum Zahlungseingang nach dem Verkauf an den Kunden bis zu 180 Tage lang überbrücken. Kunden mit einer stabilen Geschäftsbeziehung und regelmäßigem Bestellvolumen können bei jedem Einkauf entscheiden, ob sie eine flexible Zwischenfinanzierung per Finetrading in Anspruch nehmen möchten.

Die vollständige Integration in den existierenden Bestellprozess macht die Nutzung von Finetrading einfach und komfortabel und stellt für den Konzern auf dem deutschen Markt einen Wettbewerbsvorteil dar. Verhandlung, Bestellung, Warenlieferung und -kontrolle erfolgen unverändert zwischen den gewohnten Ansprechpartnern. SFS tritt lediglich als neuer Rechnungsempfänger in die Bestellung ein und verkauft die Ware mit verlängertem Zahlungsziel. Der Kunde gewinnt durch diese flexible Zwischenfinanzierung Spielraum für seine Produktionsphase, kann Skonti ausschöpfen und gegebenenfalls sogar den eigenen Endkunden längere Zahlungsziele gewähren.

Ein herstellernaher Finanzierungsdienstleister kennt die Herausforderungen und das Geschäft der Kunden sowohl aus technologischer als auch aus finanztechnischer Sicht. Das versetzt ihn in die Lage, sein Portfolio stetig weiterzuentwickeln und auf das Geschäft und die aktuellen Anforderungen seiner Kunden abzustimmen.

DER AUTOR: Martin Stange, München, ist Leiter Expert Sales & Development des Commercial-Finance-Geschäfts von Siemens Financial Services in Deutschland.E-Mail: martin.stange[at]siemens[dot]com

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