Nachhaltigkeit ist zu einem globalen und in höchstem Maße relevanten Thema geworden. Privatpersonen, Unternehmen und Staaten verpflichten sich zunehmend zu nachhaltigem Handeln. Politiker haben die Lenkungsfunktion der Finanzmärkte erkannt. Mit einem Katalog von Anforderungen an Finanzinstitute, Kapitalgeber und Kreditnehmer soll erreicht werden, dass nachhaltige Investitionen forciert und nicht nachhaltige Investitionen gebremst werden.
So müssen Finanzinstitute bei einer Kreditvergabe auch die Nachhaltigkeit der finanzierten Projekte bzw. Kreditnehmer bewerten. Kapitalanleger sollen auf die besondere Bedeutung von Nachhaltigkeit hingewiesen werden. Ob Letztere der Nachhaltigkeit jedoch den gewünschten Stellenwert einräumen und von welchen Einflussfaktoren dies abhängt, ist wissenschaftlich noch nicht umfassend geklärt. Bisherige Studien sind sehr heterogen und führen in Teilen zu widersprüchlichen Ergebnissen.
Vor diesem Hintergrund widmet sich Dominik Englisch der Frage, in welcher Weise Nachhaltigkeitsaspekte das Anlageverhalten insbesondere nicht professioneller Anleger beeinflussen. Denn auch deren Bereitschaft, nachhaltige Anlagen zu bevorzugen, ist für den Transformationsprozess wichtig.
Konkret beantwortet Dominik Englisch fünf Forschungsfragen. In einer ersten empirischen Untersuchung will er einen Gesamtüberblick darüber gewinnen, welche Faktoren bei nachhaltigen Anlageentscheidungen nicht professioneller Anleger überhaupt eine Rolle spielen. Aufgrund der gut begründeten Kritik an der Eignung quantitativer Auswertungsmethoden für seinen Untersuchungsgegenstand (z. B. nicht ausreichende Apriori-Kenntnisse über die Determinanten des Entscheidungsverhaltens bei nachhaltigen Kapitalanlagen sowie mögliche nicht finanzielle Motive und soziale Einflüsse und damit nur eine begrenzte Übertragbarkeit von Annahmen der modernen Portfoliotheorie und des Homo oeconomicus) entscheidet Dominik Englisch sich für eine qualitativ strukturierende
Inhaltsanalyse, deren methodische Anforderungen er prägnant darlegt. Aufbauend auf einem literaturbasierten Vorverständnis entwickelt er für die erste Untersuchung
einen Interviewleitfaden für zwanzig halbstrukturierte Experteninterviews, für die er die Auswahlmethodik, die Konzeption des Leitfadens und den Interviewablauf wiederum methodisch fundiert darlegt.
Für die vier weiteren Fragestellungen entwickelt Dominik Englisch ein innovatives Online-Laborexperiment, bei dem er 30 überwiegend junge Probanden mit mittlerem bis hohem Bildungsniveau, soziodemografisch hinsichtlich bestimmter Merkmale trotzdem gleichverteilt und allesamt als nicht professional einstufbar, dazu auffordert, fiktive Geldanlageentscheidungen zu treffen und dabei ihre Informationsverarbeitung zu verbalisieren (Think-Aloud-Methodik). Mit der zweiten und dritten Forschungsfrage untersucht Dominik Englisch die Informationsverarbeitung ausgewählter Determinanten bei nicht professionellen Anlegern, nämlich einerseits die Verarbeitung von Rendite-Risiko-Informationen unter Einfluss von nicht Rendite-Risiko-bezogenen Informationen et vice versa die Verarbeitung von nicht Rendite-Risiko-bezogenen Informationen unter Einfluss von Rendite-Risiko-Informationen. Die vierte Forschungsfrage befasst sich mit einem möglichen Trade-off zwischen dem Nachhaltigkeitswunsch und dem gewünschten Rendite-Risiko-Verhältnis und der Bereitschaft, zugunsten des Ersten beim Zweiten Abstriche zu machen. Abschließend werden die sozialen Einflüsse auf nachhaltige Anlageentscheidungen untersucht. Zur Beantwortung dieser Frage werden die Probanden in zwei Phasen
betrachtet sowie in der zweiten Phase mit unterschiedlichen, den Präferenzen in der ersten Phase gegensätzlichen Manipulationsstrategien konfrontiert. So werden die Anlageentscheidungen aus der ersten Phase noch einmal wiederholt und erneut gemessen.
Insgesamt ist die Dissertationsschrift von Herrn Englisch als exzellente Arbeit zu bewerten. Aus wissenschaftlicher Sicht überzeugt Herr Englisch mit einer innovativen Methodik und einer sehr präzisen Ergebnisauswertung. Herr Englisch seziert und interpretiert die experimentellen Beobachtungen mit Detailverliebtheit und Tiefgang. Er wägt seine Aussagen gekonnt ab, ohne die Kritik an der eigenen Vorgehensweise aus den Augen zu verlieren.
Die Arbeit liefert Banken, Sparkassen, Versicherungen und alle anderen Finanzdienstleistern sowohl aus institutioneller Sicht als auch aus der Position der Mitarbeitenden wichtige Impulse für den Umgang mit nachhaltigen Anlageentscheidungen und -entscheidern. Das gilt auch für die gesellschaftliche Perspektive. Denn seine Erkenntnisse zeigen, wie zwingend notwendig eine übergreifende Diskussion über nachhaltige Investitionen ist, um den Informationsstand aller handelnden Personen zu verbessern, mehr Transparenz zu erzeugen und bessere Entscheidungen zu generieren.
Als Herausgeber betrachten wir dieses Werk als wichtigen Beitrag, dessen erfolgreiche Verbreitung im wissenschaftlichen Schrifttum und in der betriebswirtschaftlichen Praxis zu wünschen ist.