Vor dem Wero-Start ‒ Geheimprojekt Payment

Swantje Benkelberg, Chefredaktion, Fritz Knapp Verlag, Frankfurt am Main

Foto: FKV

Wäre Wero ein angesagtes Produkt, dann würden die Kunden die Banken und Sparkassen jetztwohl schon mit Nachfragen bestürmen.Schließlich ist der Marktstart in Deutschland für Ende Juni geplant. Dass dem nicht so ist, liegt natürlich nicht zuletzt daran, dass Payment an sich nichts ist, das die Menschen begeistert. Und doch ist
es kein Naturgesetz, dass neue Payment-Lösungen niemanden interessieren.

Dass es auch anders gehen kann, hat Apple vorgemacht. Dem Technologiekonzern ist es gelungen, seine Wallet für das Publikum so interessant zu machen, dass viele Apple-Nutzer den Marktstart in Deutschland kaum erwarten konnten und in den Medien permanent darüber spekuliert wurde, wann es denn so weit sein würde. Entsprechend hoch waren die Nutzungszahlen, über die teilnehmende Banken gleich zum Start berichten konnten.

Kommunikationschance vertan

Die Chance für Wero – immerhin das erste europäische Payment-Projekt, das es überhaupt bis zur Marktreife gebracht hat ‒  schon im Vorfeld vergleichbare Neugierde zu wecken, hat die Kreditwirtschaft vertan. Der Marktstart von Wero  wird also ‒ wieder einmal ‒ ein Kaltstart.

Keine Frage: Dass die Kommunikation zu EPI, wie bei vorangegangenen Projekten, von Anfang an auf extremer Sparflamme lief, war verständlich. Solange es ungewiss ist, ob ein Projekt nicht doch noch aufgegeben werden muss, gackert man nicht gern über ungelegte Eier. Und die Gefahr, dass letztlich einmal mehr nichts aus dem großen Gedanken wird, war zweifellos real. Etwas mehr Öffentlichkeit kann einem Projekt wie EPI allerdings auch helfen: Wenn nämlich im Markt die Neugier und das Interesse wächst, dann kann das im Gegenzug auch potenzielle Mitwirkende beflügeln und bei der Stange halten. Vielleicht wären wir heute schon weiter, wäre EPI nicht von Anfang an als eine Art Geheimprojekt behandelt wurden.

Risiko für den Markterfolg

Spätestens mit dem Einschwenken auf die Zielgerade wird ein Festhalten an dieser in der deutschen Kreditwirtschaft so beliebten Vorgehensweise  jedoch zu einem echten Risiko für den Markterfolg. Man sollte meinen, aus den Erfahrlungen mit der Geldkarte/Girogo und  Paydirekt/Giropay hätte die Branche gelernt. Dennoch scheint es, als werde man  auch Wero plötzlich und unerwartet aus dem Hut zaubern wie ein Zauberkünstler ein Kaninchen.

Das mag manchem nicht so gravierend erscheinen – schließlich wird Wero zum Start nur eine P2P-Funktionalität  bieten, sich also nur an einen vergleichsweise kleinen Ausschnitt des Zahlungsverkehrs wenden. Das wäre allerdings zu kurz gedacht. Denn zum einen betrifft das genau die für EPI relevante Zielgruppe. Zum anderen soll bereits im kommenden Jahr eine E-Commerce-Funktionalität hinzukommen. Und bis dahin sollte ein hohes Bekanntheitsniveau und eine ordentliche Marktdurchdringung erreicht sein, damit Wero nicht das gleiche Schicksal ereilt wie Paydirekt/Giropay und die neue Lösung dauerhaft am unteren Ende der Liste der meist genutzten und beliebtesten Zahlungsverfahren rangiert. Nur dann, wenn bis zum Ausliefern der E-Commerce-Funktionalität bereits eine hohe Zahl von Nutzern erreicht ist, kann ein weiteres Desaster dieser Art vermieden werden.  Im schlimmsten Fall droht Wero zu einem neuen „Rohrkrepierer“ für die Branche zu werden. Man erinnere sich: Die Niederländische Zentralbank hat einen erfolgreichen Markstart in anderen Ländern zur Voraussetzung für eine Migration von Ideal zu Wero gemacht. Wenn also Deutschland und Frankreich an dieser Stelle patzen, dann könnte es das gewesen sein. Außer Spesen wäre dann wieder einmal nichts gewesen.

Doch  selbst wenn es dazu nicht kommt und die Niederlande wie geplant im kommenden Jahr dazu stoßen und Ideal auf das neue Verfahren migrieren, macht dies Wero nicht zu einem echten europäischen System, wenn es in anderen Märkten nicht zum Fliegen kommt. Im schlimmsten Fall hätten die deutschen Banken dann den Niederländern ein neues System mitfinanziert, das auch hierzulande einige wenige Nutzer hat.  Dann wird sich EPI auch beim digitalen Euro nur schlecht positionieren können.

Gefahr im Verzug

Es ist also Gefahr im Verzug. Natürlich hat EPI auch eine Marketingkampagne geplant. Die allein wird aber gewiss nicht reichen – so viel wird das Unternehmen gar nicht „klotzen“ können. Im digitalen Zeitalter kommt es in hohem Maße auch auf den „Buzz“ an – das also, was im Internet über ein bestimmtes Thema gesprochen wird.  Bei Wero wird das  bisher erschreckend wenig.

Wenn der wohl letzte Anlauf zu einem europäischen Zahlungssystem nicht wie-der zu einem Flop und damit die Abhängigkeit von außereuropäischen Anbietern zementiert werden soll, dann muss die Branche jetzt auf allen Kanälen feuern, je schneller und je lauter, umso besser. Vornehme Zurückhaltung muss man sich leisten können. Das kann die Kreditwirtschaft in Sachen Zahlungsverkehr nicht.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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